Truthahn um zwölf
kein so schlechtes Gewissen mehr wegen des Schecks, den du Susan für Ediths Aussteuer gegeben hast.«
»Schlechtes Gewissen? Nicht nötig. Tue alles, was ich kann, um der armen Frau zu helfen.«
»Meinst du das ernst?«
»Wofür hältst du mich eigentlich?«
»Lieber Paul, würdest du dann noch etwas tun? Ihr nicht nur helfen — sondern ihr auch deinen Arm reichen?«
»Was zum Teufel meinst du damit? Was hast du jetzt wieder vor?«
»Schau, irgendwer muß für Edith den Brautvater machen. Jemand, den alle kennen und achten, keiner von den Neuen. Einer von den Alten. Paul, weißt du, keiner könnte das so gut wie du.«
Ich folgte Tonys Ausführungen mit Anerkennung, während das Lächeln vom Gesicht meines Mannes verschwunden war und einem gehetzten Ausdruck Platz gemacht hatte. Er sagte: »Meinen Arm? Meinen Arm reichen? Nein, Tony, ich stolziere nicht durch die Kirche mit einer Braut am Arm. Nicht für dich und auch für sonst niemanden.«
»Nicht für mich, Paul, sondern für Edith. Du hast gesagt, du tätest alles, was du kannst. Siehst du nicht ein, daß das nötig ist, damit auch alle sehen, daß das Vorgefallene nicht ihre Schuld gewesen ist? Wenn du das tust, dann werden das alle begreifen. Von dir hält man so viel hier in der Gegend!«
»Keine Schmeicheleien! Es gibt genug andere Männer. Warum versuchst du es nicht bei denen?«
»Weil du mein Onkel bist und ich stolz auf dich bin.«
In dieser Art ging es weiter. Paul kämpfte verbissen, aber ich konnte sehen, daß Tony gewinnen würde. Paul machte einen letzten verzweifelten Versuch. Er sagte: »Aber mein Anzug ist uralt!«
Jetzt griff ich ein. Seit drei Jahren versuchte ich, Paul dazu zu überreden, sich einen neuen Anzug zu kaufen. Ich sagte: »Dann kauf dir eben einen neuen! Du kannst ihn dir leisten, und du weißt, daß du ihn dringend brauchst. Außerdem geben wir kein Geld für Weihnachtsgeschenke aus, und du kannst also das Geld dafür nehmen, von dem du mir sonst einen neuen Sattel gekauft hättest.«
Paul blickte verärgert. »Dieser ganze Unfug mit den Geschenken«, brummte er, aber ich war mir klar darüber, daß er nur ablenken wollte, und sagte unbeirrt: »Natürlich sollst du das Geld für dich ausgeben und einen neuen Anzug kaufen. Das predige ich schon seit Ewigkeiten.«
Er starrte vor sich hin. Bei der Wahl zwischen diesen beiden Übeln würde er lieber bei der nächstbesten Braut den Brautvater machen, als gezwungen sein, in die Stadt zu fahren und einen neuen Anzug zu kaufen. Mir wurde klar, daß ich meinen privaten Kampf verlieren würde, Tony den ihren aber gewinnen.
Paul sagte: »Was gibt es an meinem Anzug auszusetzen? Ich kauf’ mir keinen neuen, das schlagt euch gleich aus dem Kopf.«
Tony warf mir einen bedauernden Blick zu. Sie wußte, daß sie mich jetzt vernichtete, aber es war notwendig. Sie sagte zuckersüß: »Ist auch nicht nötig! Deiner ist wirklich noch gut, und es ist ja nur eine kleine Hochzeit.«
Er blickte sie finster an, und dann mußte er wider seinen Willen lachen. »Du bist ein hinterlistiger kleiner Teufel. Wozu nur all das Getue? Man könnte denken, es sei deine Hochzeit.«
6
Sam und Tim brachten viele Gründe vor, warum sie nicht an der Hochzeit teilnehmen könnten. In Wirklichkeit wollten sie sich nur nicht für drei Stunden von ihren Farmen losreißen. Aber Sam änderte seine Meinung, als er hörte, daß Paul für Edith den Brautvater mache, obwohl Tim sich noch an die vergebliche Hoffnung klammerte, daß Anne nicht gehen wolle.
»Zu anstrengend für sie«, erklärte er, aber Larry zerstörte diese Hoffnung.
»Und du glaubst, du kannst zuhause bleiben und ihr Gesellschaft leisten? Das gibt’s nicht. Anne kommt. Sie freut sich darauf, den von dir verschmähten Hut durch das Kirchenschiff segeln zu sehen. Es wird ihr guttun. Sie braucht Aufmunterung.«
»Das ist mir neu. Sie ist ja nicht allein. Natürlich vermißt sie die Kinder, seit sie in der Schule sind, aber sie hat doch Ursula. Die leistet ihr großartig Gesellschaft.«
»Das weiß ich. Sie macht sich den ganzen Tag nützlich. Wunderbar für Anne. Trotzdem wird die Hochzeit eine nette Abwechslung sein«, setzte Larry hinzu und nahm sich zusammen, um nichts Boshaftes über Ursula zu sagen.
Tim war beleidigt. »Ich wollte die einjährigen Schafe aussondern.«
»Hättest du sowieso nicht gekonnt. Sam und Paul kommen beide zur Hochzeit.«
»Das macht nichts. Ursula hilft mir sehr geschickt.«
Larry schluckte
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