Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
den Rand des Tisches, er fiel um und am anderen Ende der Leitung hörte Lisa ein Krachen.
„Mike!“, rief sie, „was ist los? Warum bist du allein? Warum ist kein Bodyguard in der Nähe?“
„Allein, allein“, sang Michael und hielt sich den Kopf, während Tränen aus seinen Augen strömten. Sein gesamter Körper war wie aus Gummi, nur der Kopf, der war so schwer... ein Steinhammer an einem Gummistiel... hing nach unten... der Kopf...oh...er zog rasant Richtung Teppich....da bemerkte er, dass sein Körper schon auf dem Boden lag. Ah! Er lag schon auf dem Boden! Er konnte sich ausstrecken...die Beine ausstrecken...ah...ja...das tat gut...der Boden hielt ihn. Aber der Kopf...was machte der...? Ihm war, als bohre dieser ein Loch durch den Boden... der gesamte Grund würde einstürzen und er mit ihm... der Kopf war schwer...so schwer...so schwer...
„Mike!“, schrie jemand direkt in sein Ohr und ließ ihn schmerzhaft das Gesicht verziehen. „Mike! Was machst du? Wo bist du? Wo, verdammt noch mal, sind deine Leute?“
„Leute...“, nuschelte er weinerlich. „... die Leute hassen mich...sie hassen mich...oh, mir ist schlecht... Lisa? Bist du das...? Lisa... ich muss dir was sagen...mir ist schlecht...ich... mein Herz tut so weh... es tut so weh...Lisa... hörst du mich...ich...“
Michael fing an zu weinen. Lisa redete wie ein Sturzbach auf ihn ein, holte sich ein zweites Telefon heran, rief die Rezeption des Hotels an, verlangte die Security von Michael und sorgte dafür, dass jemand aufs Zimmer kam.
Und da war dieser Arzt, Gott sei Dank, spritzte ihm das himmlische Mittel, das ihn vergessen ließ... Ein Mini-Tod, ein Reset....bis er wieder hochfahren musste... um in sorgenvolle Gesichter zu sehen, die eine Menge schlechter Nachrichten für ihn bereit hielten. Die alle nicht wirklich wussten, was sie tun sollten ... und in manchen Gesichtern las er Zweifel. Zweifel über ihn.
Es machte ihn krank.
Am nächsten Tag griff er wieder zum Telefon.
„Lisa...danke“, sagte er. „Ich weiß nicht, was ich ohne dich gemacht hätte.“
„Nichts zu danken, Alter“, sagte Lisa. „Ich kenne das Gefühl...ich war auch schon mal da, vielleicht sogar noch schlimmer als du.“
Und sie tat genau das, was Michael am meisten half: Sie erzählte ihm aus ihrer Kindheit, von ihren Drogenproblemen, vom Tod ihres Vaters. Sie gab ihm das Gefühl, nicht der einzige mit Problemen zu sein und dass auch er ihr durch sein Zuhören half. Und zuhören konnte Michael. Darin war er Weltmeister.
„Dein Vater hat dich so geliebt“, sagte er.
„Ja, das hat er“, sagte sie warm, „aber ... er konnte nicht mit sich umgehen. Und da wir als Kinder immer von unseren Eltern oder Bezugspersonen lernen...lernte ich genau das. Unterbewusst natürlich...aber ich konnte auch mit mir nicht umgehen. Ich machte das, was er gemacht hatte. Er nahm Tabletten, ich nahm Drogen...da war kein Unterschied. Nur, dass ich mich irgendwann selbst gerettet habe. Entziehungskuren... Cold turkey... ist nichts für schwache Nerven... Gott sei Dank fand ich Leute, die mir dabei halfen...“
Michael verstand den Hinweis. „Scientology“, sagte er.
„Ja... es war das Beste, was mir widerfahren konnte...“
„Lisa, ich will kein Scientologe werden“, sagte er offen.
„Das musst du doch auch nicht. Es reicht, wenn du einsiehst, dass du Hilfe brauchst.”
Lisa war mitfühlend und unsentimental. Sie mochte Michael sehr. In diesem halben Jahr ihrer gelegentlichen Treffen und häufigen Telefonate hatte sie ihn als warmherzigen, spirituellen, humorvollen, vor allem aber normalen Menschen kennen gelernt. Er war zärtlich und höflich, ein Mann von der Sorte: ich halte dir die Autotür auf und lege dir einen Mantel um die Schultern, wenn dir kalt ist. Er konnte auf freche Art charmant sein und er war intelligent. Sie genoss die Unterhaltungen mit ihm. Und seine Augen, diese so tiefen, dunklen Seen, lösten ein Kribbeln in ihr aus. Lisa spürte, wie Michaels Charisma und sein Schicksal sie mehr und mehr anzog.
In Amerika tobte derweil der Mediensturm unvermindert weiter. Obwohl keine wirklich neuen Nachrichten hinzukamen, wurde das Feuer für seine Einäscherung weiter geschürt. Ein Vierteljahr lang berichteten die Medien in gleichbleibender Stärke über diesen Fall. Es war noch nicht einmal klar, ob ein Prozess stattfinden würde - es standen lediglich unbewiesene Anschuldigungen im Raum - doch wurde die Ansicht Einzelner durch ständiges Wiederholen
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