Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
musste sich andauernd übergeben. Diese Anklage riss seine Seele auf und unverarbeitete Emotionen schwemmten wie Fäkalien hervor und verpesteten jede Sekunde.
Als heiße Welle fuhr immer wieder die hässliche Erkenntnis wie ein Schwerthieb durch seinen geschwächten Körper: Er war als Kinderschänder angezeigt! Er! Der Kinder über alles liebte, der in Kindern das Heiligste überhaupt sah! Er wollte nicht, dass die Leute schlecht über ihn dachten, er konnte das nicht ertragen. Er hatte keine Liebe aus Kindertagen in Reserve. Er hungerte der Liebe hinterher. Nun war er ein Kinderschänder! Eines der ekelhaftesten Subjekte auf Gottes Erdboden!
Michael war übel, in ihm drehte sich alles. Er konnte nichts essen, der Schmerz verhakte sich wie ein ständiges Rasiermesser in seinem Herzen.
Unter unmenschlicher Anstrengung hangelte er sich durch die Konzerte, reiste von einem Land ins nächste. Einige Auftritte wurden verschoben, weil an manchen Tagen gar nichts mehr ging. Michael wehrte sich nicht, fiel in Depressionen.
Der scharfe Kummer über den Verlust und Verrat von Jordy war das eine, mit dem er fertig werden musste. Das hätte er noch verkraftet. Doch nun brachte man ihm plötzlich weltweit statt Bewunderung Abscheu entgegen – es war ein Verlust von Liebe auf allen Ebenen – und es tat höllisch weh. Der Berg schien unüberwindlich hoch. Er wollte vergessen, wollte schlafen... aber genau das konnte er nicht. Panikattacken hielten ihn permanent wach und er fing an, sich Schmerzmittel einzuwerfen, um nicht wahnsinnig zu werden.
Seine Meinung über Erwachsene erlebte einen unwiderruflich tiefen Schub in den Abgrund. Alles war den zweifelhaften Werten der Erwachsenenwelt zum Opfer gefallen. Michael wusste einmal mehr, wie wichtig es war, nie erwachsen zu werden. Er wollte unschuldig bleiben, er wollte diesen Dreck nicht, nicht diese stinkende Jauche, mit der sich die Erwachsenen bewarfen, nicht diese grausamen Spiele derer, die ihr inneres Kind verloren hatten. Nein, niemals, nie in seinem ganzen Leben wollte er zu so einer Art Mensch werden.
Lieber Gott, betete er, mach, dass ich nicht so werde, wie sie. Lass mich stark sein. Lass mich stark sein, bitte hilf mir. Nimm mir nicht alles. Hilf mir, damit die Kinder dieser Welt eine Chance haben. Das war der Gedanke, der ihn aufrechterhielt. Der Gedanke, dass dies für ihn eine Prüfung war. Dass Liebe letztendlich doch gewann – auch, wenn der Weg lang und anstrengend war.
Dennoch schien sein Herz einen irreparablen Schaden erlitten zu haben. Seine Augen leuchteten nur noch bei besonderen Anlässen so wie früher und Erwachsenen misstraute er mehr denn je.
Aus der Welt des Showbiz’ war Elizabeth Taylor die Einzige, die sich ohne Rücksicht auf ihren eigenen Ruf für ihn stark machte. Sie war auch eine der wenigen Menschen auf dieser Welt, die sich traute, über Michaels hohe Energie zu sprechen. Doch in dieser Situation kam das eher noch schräger an und es half gar nichts. So was hilft in der in der Öffentlichkeit nie. Außerdem wusste jeder, dass Elizabeth Michael wie einen Sohn liebte und ihre Meinung zählte nicht viel in diesem Desaster.
Er telefonierte mit Debbie und er sprach lange mit Lisa. Seine Familie war da und hielt zu ihm, aber er war inzwischen auf allen Ebenen vorsichtig: Bisher hatten sie jede Situation nur dazu genutzt, ihn wieder zu einer Jackson-Five-Tour zu bewegen.
Er lag wach, Tage, Nächte, sein Körper fand keine Erholung, sein Geist schon gar nicht. Er warf sich Schlafmittel ein, die nicht halfen. Und dann fiel ihm der Arzt ein, der ihm dieses eine Mittel gespritzt hatte, das ihn einfach umlegte und ihn nichts mehr fühlen ließ. Keinen Schmerz, keine Pein... nur Ruhe.
Er rief ihn an und ließ ihn einfliegen. Der Arzt gab ihm das Präparat und Michael glitt in einen traumlosen Schlaf. Als er aufwachte, ging es ihm zumindest körperlich etwas besser und der Arzt ließ ihm etliche Medikamente da, die er zu schnell und zu oft schluckte.
Er rief Lisa an und schwafelte am Telefon sinnloses Zeug. Alarmiert versuchte sie über Tausende von Meilen hinweg, ihn zur Besinnung zu bringen.
„Alter, du bist total zu! Hast du getrunken? Was hast du genommen?“
„Llllisa...“, lallte er mit der Packung Sedativa in der Hand, „ffflieg doch her...ich...kann das ...nich...lesen...flieg doch...her...“
Sein Kopf wurde schwer, er zog ihn nach unten, Richtung Tisch, auf dem das Telefon stand. Seine Knie sackten ein, sein Kinn stieß an
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