Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
letzten beiden Jahrzehnten keine positiven dabei gewesen. Mehr noch: Seit nahezu 20 Jahren wurde er nach Strich und Faden verrissen, sein Aussehen wie sein Verhalten schienen immer abstruser zu werden – etwas, worüber die Presse sich das Maul zerriss. Selbst bei altruistischen Anlässen wie Benefizkonzerten, schien er keine Gnade in den Augen der Öffentlichkeit zu finden. All das stand im krassen Gegensatz zu dem, was ich persönlich gesehen und erlebt hatte. Selbst sein Gesicht war anders als das auf den Fotos, die ich unter fetten Headlines fand.
Ich begann, mir Notizen zu machen und einen Grobriss über sein Leben anzufertigen, in dem Bemühen zu begreifen, was seine Faszination ausmachte.
Seine Kindheit musste hart gewesen sein, was er immer wieder betonte. Michael war schon mit fünf Jahren auf den Brettern gestanden, die angeblich die Welt bedeuten.
Die Nüchternsten würden zu seiner Personifizierung wohl an dieser Stelle seine exorbitanten Erfolge auflisten: Die am meisten verkauften Tonträger der Welt, die meisten Preise und Auszeichnungen als bester Tänzer, bester Sänger, bester Entertainer, bester Performer, Choreograph, Songwriter, Komponist. Und nicht nur, dass er in diesen Kategorien Herausragendes leistete, so beherrschte er zudem die Kombination all dieser Eigenschaften in Perfektion und setzte sie in Szene mit sich selbst. Das war eine Mischung, die süchtig machte, die faszinierte, die schon zig Experten und Möchte-gern-Experten zu ungefragten Analysen veranlasst hatte und die letztendlich doch nicht erklären konnten, was mit dem Verstand nicht zu greifen war.
Es gab und gibt viele charismatische Tänzer auf dieser Welt, es gibt Sänger mit traumhaften Stimmen, begeisternde Komponisten, Choreographen und so weiter - und doch: Die Beherrschung all dieser Künste in dieser Vollkommenheit war das eine, das andere war die Leidenschaft, mit der Jackson dies alles auf die Bühne brachte, mit dieser einzigartigen Ausstrahlung, diesem gewissen Etwas, das niemand zu entschlüsseln und daher auch niemand zu kopieren vermochte.
Tatsache war, dass viele die Augen nicht von ihm lassen konnten, wenn sie ihn sahen. Vielleicht, weil sie mehr als nur ihn sahen. Dieses Sich-Verlieren in seiner Aktion, diese atemberaubende Fusion von Körper, Geist und Seele erweckte die Sehnsucht nach dem Gefühl, dass der Tänzer haben musste, wenn er sich dem Rhythmus vollständig überließ. Es war ein sich Darbieten an die Welt, die stille Macht, die darin lag, in vollkommener Hingabe bei sich selbst zu sein. Er schien, wenn er auf der Bühne stand, sich der Welt in bester Ordnung einzufügen, den idealen Platz im Sonnensystem einzunehmen. Dort schien er hinzugehören. Dort sollte er sein.
Überall, wo Michael Jackson auftauchte, tobten die Massen. Er bewegte sie, brachte sie zum Rasen, rührte sie, bezauberte sie und das nicht nur während seiner Konzerte. Je mehr ich über ihn las, desto klarer kristallisierte sich heraus, dass die Beziehung zu seinen Fans tiefer ging als bei jedem anderen Star. Sie schienen mit ihm auf einer Ebene verbunden, die weit über das Übliche hinausging. Es war, als ob sie hinter seinem Startum noch etwas Größeres wahrnahmen.
Im Laufe seiner Solokarriere sang er rockige Lieder, er sang elegische Lieder. Aber nie sang er fröhliches. Die sanften Stücke trugen stets das Banner der Wehmut und Melancholie, gesungen mit einer Stimme, die sich über drei Oktaven spannte.
Und immer wollte er mit seinen Liedern und Shows die Welt ein Stückchen besser machen, machte er aufmerksam auf zu ändernde Zustände. Stets war eine Botschaft enthalten, ewig die gleiche, als ob er einen Auftrag fühlte, den es zu erfüllen galt.
Die Shows, die er seinem Publikum auf Konzerten bot, waren legendär. Michael Jackson war ein Synonym für Superlative. Leidenschaftlicher Tanz, atemberaubende Kulissen, Pyrotechnik, die besten Backgroundtänzer der Welt, die seine diffizilen Choreographien einstudierten, während er es mühelos im Blut hatte.
Auf der Bühne explodierte er, wenn er seine harten, heftigen Songs performte, er zerfloss, wenn er Balladen trällerte. In diesen Augenblicken war er nicht nur ein Mensch, der ein Lied singt – er war ein Song in Menschengestalt. Zusammen mit seinem Tanzstil, den er in professionelle Höhen geschraubt hatte, war er eins mit seinen Bewegungen, war er vollendeter Ausdruck für den Rhythmus der Natur.
In all diesen Aktionen schien er so sichtbar von einer höheren
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