Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
Instanz gesteuert, dass er in vielen Menschen ein unbestimmtes, aber bohrendes Gefühl der Sehnsucht erweckte. Nach ihm? Nach dieser Vollkommenheit? Dieser Instanz? Nachdenklich saß ich am Rechner.
Die Sehnsucht nach der Quelle schien mir die wahrscheinlichste, und, da unerkannt, die tiefste.
Dieser überdimensionale Ruhm generierte weitere Faszination. Ich erkannte, in welchem Ausmaß die Bezeichnung „Star“ auf Michael zutraf. Er war einer der größten Entertainer, den die Welt je gesehen hatte. So einer wie er kam nicht alle Jahrhunderte daher. Er war ein Jahrtausend – Star. Ein Gefangener seines Talents, seiner Begabung, und seiner Ausstrahlung. Ein Gefangener seines Ruhmes, seines Managements, der Presse und - vor allem - seiner Verwundbarkeit, jener Achillesferse, die ihn immer und immer wieder straucheln ließ.
Sein Aussehen? Sein Gesicht war geschminkt wie das einer Frau, die dunklen, intensiven Augen schwarz umrandet und doch gab es niemanden, der männlicher auf der Bühne gewirkt hätte als er. Er war in seiner Ausstrahlung so komplex, dass er mühelos Generationen, Geschlechter und Rassen miteinander vereinte - ein weiterer Aspekt seines unaufgeklärten Mysteriums. Er war auf seine Weise schön, er war etwas Besonderes, das spürten alle, er war ein selbst kreiertes Exotikum. Auch, wenn er sich Operationen unterzogen hatte, wirkte er anziehend auf seine Fans. Er sah auf eine so eigenwillige, bizarre Art gut aus, selbst, wenn man wusste, das war Makeup, das war nicht mehr sein Originalzustand. Aber sein Äußeres hatte dennoch eine Echtheit, die seinem Inneren gerecht wurde. Michaels Gesicht, das sich ständig wandelte, vor allem seine Augen, drückten eine Verletzlichkeit und Schönheit aus, die seine Seele offenbarte. Eine, die uns zu zeigen schien, dass wir weder auf eine Form festgelegt, noch unsere Form alles ist, was wir sind.
Bis zu seinem 34. Lebensjahr war seine Karriere in einer geradezu Vertikalen verlaufen und es lagen bereits 29 intensive Arbeitsjahre hinter ihm. Fasziniert betrachtete ich die kreischenden Massen, sah Mädchen und Jungs gleichermaßen ohnmächtig werden, sah wie die Menschen auf ihn reagierten. Er schien wie eine überirdische, hypnotische Lichtquelle zu sein. Was war das nur, was sie so anzog? Was hatte er nur an sich? Aber ich hatte es ja selbst gespürt...an diesem Abend unter dem Baum. Er musste nur auftauchen und schon spielten alle verrückt.
Diese Ausstrahlung schien nicht angezüchtet, sondern angeboren. Schon mit zehn Jahren, als er noch in der Familienband gesungen hatte, war er das Highlight gewesen. Zu Beginn hatte man es auf den Welpenfaktor geschoben - Michael war ein zuckersüßes Kind mit seinen Afrolocken, dem sympathischen Lachen, seinen damals noch neugierig-unerschrockenen Augen. Doch auch, als er älter wurde, als die Pickel kamen, als die Pubertät alle Proportionen durcheinander brachte, waren die Leute wild auf ihn. Immer deutlicher wurde klar, dass seine Brüder talentiert, er aber ein musikalisches Genie war.
Mit 20 löste er sich aus der Familie und startete seine Solo-Karriere. Sein erstes Album, das er 1979 produzierte, verkaufte sich überraschend gut.
Seine zweite CD, oder eigentlich noch Platte, da zu dieser Zeit gerade die Umstellung von LP auf CD erfolgte, war dann das Katapult ins Star-Universum. Thriller, so las ich, verkaufte sich bis heute über 100 Millionen Mal und die Musikwelt stand Kopf. Sie priesen Jackson als Naturwunder, als Phänomen, als ein von Gott und sich selbst geschaffenes Kunstwerk. Mir war ein wenig flau im Magen: Ich hatte nicht gewusst, dass Michael eine solche Größe war – eher hatte auch ich lediglich die negativen Schlagzeilen über ihn im Gedächtnis gehabt. Es war ja die letzten Jahre sonst nichts anderes über ihn zu lesen gewesen.
Beeindruckt recherchierte ich weiter.
Nun war Michael kein Superstar mehr, er war ein Megastar. Er war ein so großes Licht am Himmel des Showbiz, so dass Namen und Allegorien für ihn erfunden werden mussten. Er lieferte erstklassige Arbeit ab, war ein Arbeitstier, nie textverlegen, beherrschte das Metier bis ins letzte Detail. Er wollte, dass alles perfekt war. Nicht nur, dass seine Songs gut waren, hauchte er ihnen mit seinen Tänzen und den elite- choreographierten Musik-Kurzfilmen, die es in dieser Form vorher in der Musikwelt nicht gegeben hatte, mithilfe seiner Kreativität, schillerndes, faszinierendes Leben ein.
Nachdenklich nahm ich die Finger von der
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