Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
nicht, fanden ihn komisch, wurden von Klassenkameraden wegen seines Rufes und Aussehen gehänselt und sie weigerten sich, mit ihm zu sprechen. Lisas Mutter Priscilla war nach wie vor misstrauisch und beobachtete mit Argusaugen das Schicksal ihrer Tochter. Viele Leute rieten Lisa, zu gehen, bevor es zu spät war. Zu spät für was?
Lisa musste erkennen, dass es kein Zuckerschlecken war, die Frau von Michael Jackson zu sein. Die Fans hassten sie teilweise, die weiblichen wie die männlichen, weil sie ihnen ihr Idol weggenommen hatte. Die Öffentlichkeit allgemein, aber auch ihr soziales Umfeld machte kein Hehl daraus, dass sie ihre Ehe mit Mike als etwas Groteskes empfanden. Die Häme der Presse und die negativen Nachwirkungen der Chandler-Affäre trafen auch sie. Ständig musste sie Michael verteidigen, weil er sich mit Kindern sehen ließ, weil er für die Öffentlichkeit schräg war. Und dann seine unseligen Berater, die ihr sagten, was sie zu tun und zu lassen hatte! Was bildeten sich diese Kanaillen ein?
Sie sah, wie gebunden Michael war, wie sehr sein Leben daraus bestand, an vielen Fronten zu kämpfen. Und er...er lebte für Kinder und Musik. Das war das, worauf er sich zu konzentrieren versuchte, ohne Rücksicht auf sie! Sah er denn nicht, dass es für sie auch nicht so einfach war? Warum war er so wenig einsichtig?
Und was war mit diesen Ärzten? Sie hatte geglaubt, er sei clean, er hatte doch einen Entzug hinter sich! Widerstrebend ahnte sie, dass sie sich womöglich getäuscht hatte: Sie ertrug es nicht, sich ein zweites Mal emotional an einen tablettensüchtigen Menschen zu hängen. Ihr Innerstes wehrte sich gegen die Wiederholung ihres größten Dramas und Traumas. Weil es nach wie vor weh tat, hatte es nach wie vor Macht über sie. Jeden Tag eskalierte die Situation für Lisa ein bisschen mehr.
Zusammen saßen sie am Kamin. Die Stimmung war angespannt. Michael versuchte, sich ihr zu nähern. Lisa machte sich steif. Sie war emotional erschöpft und Michael konnte es spüren.
„Lisa“, wagte er sich vor, „wenn du keine Kinder möchtest... im Moment noch nicht möchtest... dann...“
„Ach, lass mich in Ruhe“, schnauzte sie. Sie konnte das Thema nicht mehr hören.
Michael zögerte verletzt – und ängstlich.
„Ich wollte dir nur sagen, dass ich...Lisa, ich liebe dich, ich will dich nicht verlieren.“
Schweigen. Michaels Kehle schnürte sich zu.
„Bitte, Lisa, red mit mir.“
Aber sie konnte nicht. Sie hatte in den letzten Monaten zuviel erlebt, was sie in ihrem Selbstbewusstsein gehörig nach hinten gestoßen hatte. Sie war 26 Jahre jung. Und sie wusste nicht, ob sie die Kraft haben würde, ein Leben neben Michael, in diesem Sumpf, in dem er lebte, zu ertragen.
Schwarze Verzweiflung machte sich in Michaels Herzen breit, als er Lisas Reaktion sah. Tiefe Angst befiel ihn. Er hatte Jordy verloren. Den Menschen, den er so sehr geliebt hatte. Und jetzt liebte er wieder, noch mehr, und es sah aus, als ob er wieder verlieren würde.
Er sah Lisa lange an. Sie blickte stur geradeaus und beachtete ihn nicht. Entmutigt ging er in sein Zimmer, hoffend, sie würde kommen. Aber sie kam nicht. Dafür hörte er die Haustür ins Schloss fallen und ihren davonfahrenden Wagen. Heißer Schmerz durchfuhr ihn. Nach einer Stunde vergeblichen Wartens lief er ziellos in Neverland umher. Er setzte sich, wie so oft, in sein Riesenrad und fuhr an die höchste Stelle, dorthin, wo er dem Himmel so nah war. Einsam saß er in der Gondel, freie Plätze um sich.
Ein Motor näherte sich. Er hob den Kopf. Mit klopfendem Herzen lauschte er in die Nacht. Das Geräusch kam näher. Und näher. Hastig fuhr er nach unten, lief an die Haustür: Es waren nur Angestellte, die etwas ins Haus lieferten. Langsam drehte sich Michael um, ging ins Schlafzimmer, legte sich aufs Bett. Druck im Bauch, im Kopf, in der Kehle, im Herz. Und da...da war es wieder. Dieses widerliche Gefühl in seinem Magen, das unaufhaltsam nach oben kroch. Nach etwa einer Stunde griff er in die Schublade und holte ein Päckchen heraus, um zu verhindern, dass es bis zum Herzen vordrang.
Sie kam wieder. Zwei Tage später stand sie zerknirscht im Schlafzimmer. Aber diesmal war es Michael, der Zurückhaltung übte. Auch er hatte Angst vor Verletzungen. Auch er kannte keine andere Methode als Flucht oder Mauern.
„Michael, lass uns reden“, sagte Lisa, als sie ihn endlich am Teich von Neverland aufgestöbert hatte, wo er saß wie ein kleines Kind,
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