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Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)

Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)

Titel: Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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Überall saßen sie, unbesiegbar, jede Kreatur eine Hydra, deren Köpfe sich vermehrten, je mehr wir ihnen abschlugen. Unsere Sicht war eingeschränkt, durch Schriftrollen, die in diesem Horrorzimmer umher flogen. Zu Tausenden schwirrten sie um uns herum, leuchteten auf, wenn sie in die Nähe unserer Köpfe kamen, um dann wieder zu entschwinden, während ihr Licht verlosch.
    Wir waren beide im Kampf mit den Monstern und der Verteidigung unserer selbst so beschäftigt, dass uns diese Schriftrollen sehr störten. Sie knallten gegen unsere Körper, verwehrten uns eine klare Sicht, vermehrten unsere Angst, jemand könnte uns aus dem Hinterhalt angreifen. Michael und ich waren vollkommen panisch, vollkommen damit beschäftigt, die Monster abzuwehren.
    Ein Chor von Flüsterstimmen erhob sich, der lauter und lauter wurde.
    „Finde die Antwort, finde die Antwort, finde die Antwort…“, wisperte es aus allen Ecken und Enden. Michael und ich waren plötzlich wie eine Person, obwohl wir zwei Körper hatten, aber wir waren so fusioniert, dass jeder die Gedanken des anderen fühlen und hören konnte.
    „Finde die Antwort, finde die Antwort, finde die Antwort…“, der Chor schwoll an und ebbte ab, er sang, er schrie, manchmal drohend, manchmal fordernd, manchmal sanft.
    Im gleichen Moment wurde Michael und mir klar, dass der Kampf sinnlos war, dass wir nicht gewinnen konnten – es waren zu viele der Gestalten, wir konnten sie nicht zerstören. Wir erkannten, dass wir beide in einer Welt voller Schrecken und Horror gefangen waren. Und gaben auf.
    Mit Todesangst im Herzen, weil wir wussten, nun mussten wir uns den Monstern übergeben, unser Leben ihnen überlassen, sanken wir in eine Ecke, den Rücken zur Wand, stumm uns an den Händen haltend. Der Chor wispernder Stimmen schwoll ein letztes Mal an…finde die Antwort, finde die Antwort, finde die Antwort…und erstarb.
    Dann war es still. Totenstill. Die Monster bewegten sich auf uns zu. In Zeitlupe kamen sie näher, erwartungsvolles Grienen auf furchteinflößenden Fratzen, Riesenspinnen, die ihre schleimigen Fänge nach uns ausstreckten, stinkende, verfaulende, verwesende Leiber, deren Gestank uns betäubte.
    Kein Chor. Kein Geschrei. Nur Stille, Leere, schwarzer Raum. Die Schriftrollen sanken wie sterbende Elfen, eine nach der anderen, langsam, geräuschlos zu Boden, versanken im schmierigen Morast.
    Michael und ich waren eins und erwarteten den Tod. In unserem Kopf klang stereotyp die Botschaft der verklingenden, wispernden Stimmen. Finde die Antwort. Finde die Antwort. Finde... und mit einem letzten aufrührerischen Gedanken sprangen wir beide hoch und packten die letzte Schriftrolle, kurz vor ihrer Berührung mit dem sumpfigen Grund.
    In diesem Moment brach der Boden unter unseren Füßen durch und mit einem Aufschrei fielen wir. Wir fielen und fielen und fielen…die Schriftrolle in den Händen, endlos, ewig.
    Schreiend fuhr ich hoch. Wachte auf von meiner eigenen Stimme. Langsam drang mein Bewusstsein aus der Traumwelt wieder in diese. Wurde mir bewusst, dass es ein Albtraum gewesen war. Ein Albtraum. Einer, der Michael in diese Welt gefolgt war und sich auf erschreckende Art und Weise materialisiert hatte.

Finale
    Und wieder saß ich am Rechner. Erneut spulte ich Interviews und Auftritte ab, klickte ich wahllos Szenen an, bekannte, unbekannte, immer die Frage im Kopf: Warum? Warum er? Warum so heftig? Warum so lange? Die Licht-zieht-Schatten-an-Erklärung war mir zu dürftig, sicher spielte das eine Rolle...aber irgendetwas sagte mir, dass das nicht alles war.
    Klick, schließen, klick, schließen...
    Ruhelos schaute ich mir eine Szene nach der anderen an, was mir auffiel, schrieb ich planlos auf ein Blatt.
    „Gott“ stand da. „Demut, Dankbarkeit, Geben. Liebe, Teilen. Seine Werte. Bedürfnis, glücklich sein zu wollen, er weint soviel. Sein Humor, sein Lachen. Dann...diese Empfindsamkeit. Die wunden Augen, so schnell verletzt. Nachhaltig verletzt.
    Er sagt, er traue niemandem und traut dann genau den falschen Leuten zu schnell. Er schöpft aus dieser Quelle, wenn er tanzt und singt und ist doch so unglücklich.
    Meine Finger glitten über Interviews, die ich schon kannte. Doch heute sah und hörte ich Dinge in anderem Zusammenhang, ordnete ich sie anders ein.
    Und an diesem Abend begann sich etwas deutlich heraus zu kristallisieren.
    Wieder fiel mir auf, wie immergleich die Aussagen über seinen Vater klangen. Er beklagte sich oft über das harte

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