Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
begann, sich darauf zu freuen.
XX/2008/2009
„Ich scheiß auf sein Comeback! Meint er, mit der Nummer zieht er seinen Kopf aus der Schlinge? Niemand auf der Welt will diese abgewrackte Galeone mehr sehen. Er hängt im Netz und das weiß er auch. Kümmer’ dich um die Kinder. Das hat der andere verpennt.”
Wieder lag Michaels langer Finger auf dem trackpad des Computers und bewegte sich von Textstück zu Textstück. Google: Comeback Michael Jackson.
Folgende Texte standen in den Foren:
„Was will der alte Sack? Der ist doch megaout!“
„Will den noch einer sehen, dieses Ungeheuer!“
„Was iss’n des jetzt? Iss des ne Frau? Gott, ist der hässlich.“
„Kennst du einen, der Geld für so n’ Transvestit ausgibt?“
„Nee, echt, der er iss so was von uncool. Wann war der das letzte Mal auf der Bühne? Der fällt doch runter, so wackelig wie der ist. Der ist doch aus dem vorigen Jahrhundert.“
„Ist das nicht der Kinderschänder?“
„Scheint das angesagte Rezept der Musikindustrie zu sein: Nimm einen abgewrackten Star und lock mit Zeiten, die längst vorbei sind. Eine ungesunde Manie! Zurzeit werden Revivals en masse produziert, aber um wenigstens etwas Stimmiges über das Comeback zu sagen: Das Genre „Revival“ passt zu Jackson– ob so jemand allerdings wiederbelebbar ist, ist zweifelhaft.“
„Uaahh, der sieht aus wie ne siebzigjährige Diva, die den falschen Chirurgen erwischt hat.“
„Iss dä nich mit den Knallo fon Tokio Hotel verwant?“
„Vielleicht braucher Nachschub und holt sich ein paar Opfer auf die Bühne, da spielt er doch auch immer mit Kindern…“
„Wichser!“
„Schwule Sau!“
„Der sollte sich mal in der heutigen Szene umguckn. Der ist doch nich mehr ap tu deit.“
„Hab gehört, der pappt sich jeden Tag ne neue Nase an, so’n Freak.“
„Was passiert, wenn ein neuer Song des einstigen “King of Pop” durchs Internet geistert? Tja: nichts! Und auch sonst scheint sich keiner mehr an Michael Jackson zu erinnern …“
„Selten war ein Typ so abgehalftert – dagegen ist sogar Pete Doherty das blühende Leben! Eigentlich aber kann er einem Leid tun, der Jacko. Sinnlos bleibt das Comeback trotzdem.“
Michael fiel das Herz in die Hose. Sein Finger verharrte auf dem Pad. Niemand würde zu seinem Konzert kommen.
Es würde das ultimative Desaster werden.
Ärzte untersuchten ihn, spritzten ihm etwas. Eine Stunde später fühlte sich Michael wie ausgewechselt. Er war euphorisch und verspürte keinerlei Schmerzen. Auch die Angstgefühle waren weg. WEG! Verschwunden! Er fühlte sich so frei, so unendlich frei – er war nach diesen zähen, angsttriefenden Tagen wie erlöst. Gott, so erlöst! So frei! Natürlich würde er das schaffen. Ein Konzert! Er würde es schaffen, er würde aus dem Schlamassel rauskommen. Er brauchte ein Comeback. Er arbeitete doch seit Jahren schon dran. Und es war Teil seines Planes. Der verhasste Satz seines Vaters kam ihm in den Sinn: „Es gibt Gewinner und Versager da draußen und keiner meiner Kinder ist ein Versager“. Seltsamerweise gab ihm dieser Satz zum ersten Mal echte Kraft. Er würde es irgendwie schaffen. Er war kein Verlierer. Und dies hier... war definitiv die letzte Schlacht. Das fühlte er deutlich.
Die Untersuchung
Der Arzt, der das Gutachten erstellen sollte, sah diesen extrem schmalen Körper auf der Liege und dachte unwillkürlich: „Oh, mein Gott.”
Der Patient hatte die Augen geschlossen. Vorsichtig drückte der Arzt auf die Organe und stellte dabei die üblichen Fragen.
Tut es hier weh, oder da? Und wenn ich so mache?
Es gab einige Punkte, die schmerzhaft waren, alarmierende Punkte, die auf nichts Gutes schließen ließen. Und obwohl die Untersuchung deswegen für den Patienten nicht angenehm war, konnte sich der Arzt des Gefühls nicht erwehren, dass dieser Mensch auf der Liege die Behandlung genoss. Nicht sexuell, - es regte sich nichts bei ihm, nein, einfach, weil es eine sanfte Berührung war und er diese nicht gewohnt zu sein schien. Hingegeben lag dieser Körper vor ihm und schien nach noch mehr Verbindung zu rufen, nach sanften Händen, nach Entspannung voller Vertrauen. Die Augen des Arztes waren dunkel vor Mitgefühl. Blaue Flecken, Prellungen, Entzündungen... alte Narben. Es war ein alter Körper, der da vor ihm lag, ein gezeichneter Körper, einer, der eine lange, nicht glückliche Geschichte erzählte.
Der Arzt war von seinen Patienten Sehnsucht nach Berührung gewohnt. Gerade alte
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