Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
die Wahrheit nicht wissen wollen, weil sie das Schlechte mehr interessiert.
Die Sterne, der Mond, das Universum, führt er aus, das ist das, was mir Kinder bedeuten. Alle Kinder, nicht nur meine eigenen. Ich hab mich immer verantwortlich gefühlt, mich um andere zu kümmern. Ich gehe genauso oft in Krankenhäuser, wie ich Konzerte gebe, verstehst du? Da, wo ich ein Konzert gebe, gehe ich zuerst ins Krankenhaus, zu den Kindern. Und ich erwarte nicht, dass die Presse das druckt – sie würden es gar nicht drucken wollen. Ich reiche den Kindern meine Hand, das mache ich seit Jahrzehnten. Ich kaufe einen Pick-up voller Spielzeug, packe alles ein und überrasche die Kinder.“
Und um vollends verstehen zu können, warum Michael ein positives Ergebnis nicht angezweifelt hatte:
Sichtlich gerührt sagt Bashir zu Michael, dass dieses Statement die Krönung des Interviews gewesen sei, er hat Tränen in den Augen, rühmt ihn dafür, dass er sich so wunderbar ausgedrückt habe - und lässt die Szene heraus schneiden.
Als Bashir Michael etwas bezüglich seiner Abneigung zur Presse und Erwachsenen fragt, antwortet dieser:
„Weißt du, egal wie gut deine Absichten sind, es gibt immer einige Idioten, die dich runter machen wollen. Alles, was du tun willst, ist ein bisschen mehr Liebe und Freude in diese Welt zu bringen, aber es ist wohl leichter zu hassen, zu verurteilen und grausam zu sein, und das zeigt mir, dass die Menschheit hässlich sein kann…und grausam…hassen und urteilen - das bringt die hässliche Seite der Menschheit hervor.“
Wie wahr.
Es war erschreckend für mich zu sehen, wie Bashir bei seinem Bekenntnis weinte, ihn schluchzen zu hören, wie sehr er Michaels Umgang mit Kindern schätze, wie toll er sein Engagement für sie finde und er ihn unendlich bewundere für das, was er tue
„...ich muss weinen, sagte er ihm, wenn ich sehe, wie du mit Kindern umgehst...da ist soviel Liebe, soviel Liebe...du bist mein Vorbild.“
Michael erklärt ihm Sinn und Hintergrund seiner sozialen Arbeit und er macht es so aufrichtig und berührend, dass Bashir ihm danach gratuliert, dankt und stammelt:
„Das war wirklich…ganz besonders“, sagt er mit feuchten Augen. „Danke Michael. Das war wirklich etwas Besonderes.“
Und Cut – die Szene ist draußen.
Das auf Skandale gezüchtete Millionenpublikum vor den Fernehern bekam nur noch eine Chimäre zu sehen.
Ein paar kurze, per Zufall gefundene Szenen, Sekunden nur, beleuchteten das Verhältnis Michael-Bashir von einer weiteren Perspektive:
Michael sitzt auf der Couch, wartet darauf, dass Bashirs Leute mit dem Kameraaufbau fertig sind, während seine eigene schon läuft. Er nimmt eine Wasserflasche und trinkt daraus. Plötzlich hört man die keifende Stimme Bashirs:
„Warum trinkst du aus der Flasche? Nimm gefälligst ein Glas!“
Michael stellt verunsichert die Flasche auf dem Boden, sein Blick fadet zu schnell vorbei - mir scheint, er ist schuldbewusst.
Kurz darauf:
Michael gähnt. Bashir schimpft ihn. Warum gähnst du? Hast du nicht geschlafen?
Und Michael lässt sich das alles gefallen.
Seltsamerweise bekam die Gegendarstellung nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die Bashir-Doku. Warum? Die Boulevardpresse wäre doch über eine solche Schlacht entzückt gewesen – sie hätte ihnen Millionen gebracht.
Wenn es also wirklich nur um Geld gegangen wäre, hätte Michaels Gegenwehr Beachtung finden müssen. Der einzige Grund, warum sie es nicht tat, war, dass es eben nicht nur um Geld ging.
Mir wurde heiß bei diesem Gedanken. Denn das hieß: Seine Ängste schienen berechtigt – es ging um seine Demontage.
Chris kam mir in den Sinn. Der gesagt hatte: Wenn diese Schweine ihn doch endlich in Ruhe lassen würden...“
Hatte er wirklich nur die Medien damit gemeint?
Ich weigerte mich innerlich, weitere Dinge über Mike zu lesen. Ich wollte die Geschichte, wenn überhaupt möglich, von ihm selbst hören. Ob ich dazu jemals noch eine Chance bekommen würde, wusste ich nicht. Dazu hätte er da sein müssen. Aber er war nicht da. Und er kam auch nicht. Er blieb verschwunden.
***
Ich ging weiterhin mit Tom aus, er war zu meiner prickelnden Oase geworden. Wir verstanden uns wie Bruder und Schwester, inzwischen kannte er meine gesamte Familie und ich alle Exfreundinnen von ihm beim Namen. Die Tage mit ihm waren voller Lachen und unkompliziert. Tom war so witzig und charmant, ich hatte ihn in diesen paar Wochen verdammt lieb gewonnen. Er war ein echter Freund
Weitere Kostenlose Bücher