Try hard to love me / Versuch doch, mich zu lieben (German Edition)
Gewalt war an der Tagesordnung. Seine Jungs waren schon mit der Pistole auf dem Nachhauseweg von der Schule bedroht worden. Sie mussten hier raus! Nach Westen, Kalifornien! Und die Kids kamen nicht in die Gänge! Geldprobleme häuften sich - die Instrumente und die Ausstattung der Kinder hatten Unsummen verschlungen – und Katherine machte ihm Stress, weil er ihre Ersparnisse aufgebraucht hatte. Die letzte Probe war eine Katastrophe gewesen und nun vertanzten sich die Gören schon wieder! Als ob es um nichts ginge! Warum war ihnen der Ernst der Lage nicht klar? Meinten sie, er stelle sich hier umsonst jeden Tag dreimal vor sie hin? War ihnen nicht klar, um was es ging? Er kämpfte gegen Windmühlen! Wie roter Dampf schob sich die Wut in ihm nach oben. Sein Blick fiel auf Michael, der gemächlich seinen Schuh wieder anzog...und diese Gemächlichkeit war der Tropfen, der die Bombe ihn ihm zum Explodieren brachte.
„Du!“, schrie Joe, griff nach irgendetwas, was gerade in seiner Nähe war und schlug Michael damit an den Kopf. „Ist deine Nase so fett, dass du noch nicht mal deine Füße sehen kannst?“
Trotz all des Elends mussten die Brüder ob dieser Bemerkung lachen. Michaels Augen standen voller Wasser, sein Kopf tat weh, aber er verbiss sich das Weinen. Er würde nicht weinen, nicht vor seinem Vater. Warum nur hatte er sich vertanzt? Er hatte doch so lange geübt und sich geschworen, es würde nicht passieren. Hätte er sich nicht vertanzt, wäre es nicht passiert. Er durfte sich nicht vertanzen, er musste perfekt sein. Perfekt sein war eine große Hilfe vor Schmerz.
Abends blickte er in den Spiegel und betrachtete seine Nase. Und je länger er sie anschaute, desto dicker wurde sie.
Des Vaters Ehrgeiz war gnadenlos. Er kannte kein Erbarmen. Die Kinder standen drei Stunden vor dem Frühstück auf und probten. Sie kamen von der Schule nach Hause und probten. Sie aßen zu Abend, machten ihre Hausaufgaben, probten ein weiteres Mal und fielen ins Bett. Die Jacksonbrüder kannten nichts anderes als Arbeit.
Lob gab es nicht. Für Streicheleinheiten, Zuwendung und Zärtlichkeit war keine Zeit. Wofür auch – sie hatten ja noch nichts erreicht. Und Katherine hatte neun Kinder zu versorgen. Da blieb vieles auf der Strecke.
Als Michael dann in die Schule kam, war es seltsam für ihn, mit so vielen fremden Kindern in einem Raum zu sitzen. Staunend sah er sich um. Einige lächelten ihn an und in den Pausen konnte er sogar mit ihnen spielen. Sie hatten etwas an sich, diese Kinder, etwas, das er für sich selbst vermisste, etwas, was er nicht hatte...aber er wusste nicht, was es war.
Die Lehrerinnen waren nett zu ihm, so nett, dass er eine überwältigende Liebe in sich verspürte, und ein unbedingtes Bedürfnis, diese zurück zu geben. Er brachte Sachen von zu Hause mit und schenkte sie ihnen, weil er für ihre Freundlichkeit so dankbar war. Katherine war entsetzt, als sie mitbekam, dass Michael ihren Schmuck verschenkte.
„Das geht nicht, Michael“, erklärte sie ihm, „das gehört nicht dir, du kannst nicht die Sachen von anderen verschenken. Warum tust du das?“
Michael versuchte ihr zu erklären, dass es ein so schönes Gefühl war, jemandem eine Freude zu machen und weil er selbst nichts besaß, hatte er eben in Mamas Schmuckkiste gegriffen.
Katherine schwieg dazu. Sie konnte nicht umhin, zu ahnen, dass Michael die Liebe seiner Lehrer sehr wichtig war und dass dies der eigentliche Grund gewesen war, in ihre Schatulle zu greifen. Sie ahnte, dass er geben wollte, weil er geliebt werden wollte und er dachte, das sei eine Maßnahme, die ihm dazu verhalf.
Michael hingegen machte es traurig, nichts geben zu können. Wenn Leute nett zu ihm waren, kam ihm das vor wie ein Wunder. Er war großzügig und irgendwann würde er dazu in der Lage sein, ganz viel zu geben. Das nahm er sich fest vor.
Das erste Mal
Jedes Jahr fand in der Schule eine Veranstaltung statt, in der Kinder vor ihren Eltern etwas aufführen durften. Michael hatte sich gemeldet und sagte seinen Lehrerinnen, er würde gern ein Lied singen. Er würde zum ersten Mal auf der Bühne stehen! Er würde richtig auftreten – wie ein Star! Und er lechzte danach, es tun zu können, sein ganzer Körper resonierte den Song und diese Fülle wollte er an sein Publikum weitergeben.
Schüchtern ging er ein paar Mal auf der kleinen Schulbühne auf und ab, um ein Gefühl dafür zu bekommen, aber als ihn seine Lehrerin aufforderte, sein Lied zu üben, weigerte
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