TS 01: Attentat auf Sol
graphischen Darstellungen. Einige Funktelegramme lagen wie verloren dazwischen, zerknüllt vom vielen Lesen.
„Immer noch nichts?“ fragte der Russe.
„Keine Nachricht“, bestätigte Herber. „Aber außer der Ungewißheit haben wir keinen Grund zu pessimistischen Überlegungen. Start und Flug erfolgten durchaus normal. Wir erfahren lediglich nichts von dem weiteren Verlauf der Expedition, bis sie zurückkehrt. Und das kann gut und gern ein Jahr dauern, wenn nicht länger.“
„Ein ganzes Jahr sollen wir warten, bis wir überhaupt erfahren, ob die Expedition geglückt ist? Ein ganzes Jahr, ehe wir mit den Vorbereitungen beginnen können, ein zweites Schiff zu bauen? Und wenn die TERRA nun verunglückt ist? Wenn wir hier warten, während kostbare Zeit verstreicht? Was dann?“
„Dann könnten wir es immer noch schaffen – vielleicht.“
Kubanow schüttelte den Kopf.
„Das können wir nicht verantworten. Die Existenz der Erde steht auf dem Spiel. Die Sonne stirbt, das ist einwandfrei bewiesen. Sie ist von einer furchtbaren Krankheit befallen, deren Ursache wir nicht kennen. Wir können nur da heilen, wo wir die Ursache kennen. Also ist der Bau eines zweiten Schiffes wichtiger als alles andere. Ich werde versuchen, die Weltregierung davon zu überzeugen.“
Herber wiegte zweifelnd den Kopf.
„Ob Ihnen das gelingen wird, wo die letzte Nachricht der TERRA so ungemein beruhigend lautete – ich weiß nicht recht.“
„Wieso beruhigend? Man teilte mit, daß alles planmäßig verlaufe, die Funkzeichen von der Erde jedoch immer undeutlicher würden. Man wußte, daß es uns ähnlich ginge. Die letzte Meldung besagte, wir sollten uns keine Sorgen machen.“
„Na also, warum machen wir uns denn welche?“
„Jede Ungewißheit bereitet Sorge, lieber Doktor Herber!“
Der Astrophysiker mußte dem Mondkommandanten recht geben.
„Wir können nichts tun als abwarten. Inzwischen wollen wir dafür sorgen, daß unsere Station weiter ausgebaut wird. Vielleicht erhalten wir wieder Verbindung, wenn die TERRA an der Venus vorbeigegangen ist, die Sonne umrundet hat und sich wieder auf der uns zugewandten Seite vor der Sonnenscheibe befindet.“
„Das ist zwar sehr unwahrscheinlich, aber durchaus möglich“, sagte der Russe und betrachtete ein vor ihm liegendes Diagramm. Es zeigte die geplante Flugbahn des Raumschiffes in einer Strichellinie. Der Mars stand nahezu in Opposition, dann kam die Erde und in fast gleicher Linie die Sonne. Die Venus stand ein wenig abseits rechts von der Sonne, während Merkur jenseits der Sonne seine Bahn zog. Die Fluglinie der TERRA führte innerhalb der Venusbahn an der Sonne vorbei, um diese herum und noch außerhalb der Bahn des Merkur vor die Erdseite der Sonne. Die zweite Umrundung fand bereits innerhalb der Merkurbahn statt.
„Glauben Sie, daß die Isolierung der ungeheueren Hitzebelastung standhält?“
„Ich bin davon überzeugt.“
Herber atmete auf.
„Ich auch. Was also kann noch passieren?“
Kubanow trommelte auf der Tischplatte herum.
„Es könnte zum Beispiel der Antrieb ausfallen“, knurrte er.
Herber machte eine ärgerliche Gebärde.
„Malen Sie nicht den Teufel an die Wand, Kubanow. Der Antrieb ist hundertfach überprüft und sozusagen idiotensicher. Von dieser Seite aus droht keine Gefahr. Mir machen die Menschen an sich mehr Sorge.“
„Wieso die Menschen?“
Herber war aufgestanden und schritt unruhig im Raum auf und ab.
„Denken Sie an unseren eigenen Flug zum Mond. Wie fühlten Sie sich in Ihrer engen Kabine, von der Sie wußten, daß sie nur durch eine dünne Wand von dem absoluten Nichts getrennt war? Wie gefiel Ihnen die Schwerelosigkeit, das ewige Schweben? Haben Sie da nicht manchmal gedacht, verrückt zu werden? Wollten nicht auch Sie zur Luftschleuse eilen und in den Raum hinausspringen?“
Kubanow sah Herber erstaunt an.
„Wollten Sie das denn?“ wunderte er sich.
„Sie nicht?“
„Nein! Ich fühlte mich recht wohl und bedauerte, so kurz nach Beginn der Reise wieder Schwerkraft verspüren zu müssen. An die des Mondes habe ich mich gewöhnt, aber wenn ich daran denke, wieder auf der Erde herumkriechen zu müssen, wird mir ganz übel.“
Herber war stehengeblieben.
„Die Reaktionen sind bei jedem Menschen verschieden. Ich kann nur hoffen und wünschen, daß die Besatzungsmitglieder der TERRA ähnliche Naturen sind wie Sie, Kubanow. Dann machte ich mir weniger Sorgen.“
Kubanow kam nicht mehr dazu, eine Antwort zu geben.
Vor
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