TS 02: 220 Tage im Weltraumschiff
aus den Wolken hervorstießen.
Belopolski hatte eben »Anderthalb!« verkündet, als Kamow den Kopf wandte und leise sagte: »Die Venus!«
Ich stürzte zu dem einen Fenster, Belopolski zum andern. Unter uns breitete sich, so weit das Auge reichte, eine wildbewegte Wasserfläche. Aus tausendfünfhundert Meter Höhe waren die langen Wogenkämme mit den weißen Schaumkronen deutlich zu sehen. Offenbar wehte ein starker Wind. Von Festland sah man keine Spur. Ob das da unten ein See oder ein großer Ozean war, und ob es überhaupt festes Land gab, wußten wir natürlich nicht. Über uns war ein bleierner Himmel – eine dichte Wolkendecke –, unter uns ein bleiernes Meer und dazwischen trübes Zwielicht, das dieses düstere Panorama beleuchtete. Wir befanden uns über der Tageshälfte der Venus, aber der Beleuchtung nach hätte es eher Abend sein können. Die zehn Kilometer dicke Wolkenschicht ließ das Sonnenlicht nur spärlich durch. Wenn wir trotzdem etwas sahen, so hatten wir das lediglich der Sonnennähe des Planeten zu verdanken. Bei uns auf der Erde wäre es unter solchen Bedingungen völlig dunkel gewesen.
Über uns und um uns zuckten auf allen Seiten bis zum Horizont fast ununterbrochen Blitze. Donnerschläge krachten von elementarer Gewalt. Schwarzen Wänden gleich strömte Regen herab und vereinigte über riesige Strecken hin Himmel und Meer.
Das Schiff flog jetzt horizontal in tausend Meter Höhe mit einer Geschwindigkeit von etwa siebenhundert Stundenkilometern. Kamow mußte alle Augenblicke die Richtung ändern, um den mächtigen Gewitterwolken auszuweichen, die sich uns nacheinander in den Weg stellten.
Nachdem wir vierzig Minuten so geflogen waren, sahen wir uns gezwungen, eine dieser Fronten am Rande zu durchbrechen, und konnten uns mit eigenen Augen davon überzeugen, daß solche Gewitter, wie die auf der Venus, auf der Erde niemals vorkommen.
Der fremde Planet bereitete den ungebetenen Gästen nicht gerade einen liebenswürdigen Empfang. Das Schiff schien in einem Meer zu versinken. Eine einzige Wassermasse umschloß uns von allen Seiten. Es wurde stockfinster. Pausenlos zuckten Blitze auf, getrübt von der dichten Wasserwand, und unaufhörlich dröhnten Donnerschläge, in deren Lärm das Geräusch unseres Motors völlig unterging.
Zum Glück dauerte alles nur eine Minute. Das Schiff durchstieß die Gewitterfront und ließ sie als düstere, schwarze Wand zurück.
Unsere Flughöhe hatte sich inzwischen erheblich verringert. Es waren nicht mehr als dreihundert Meter, die uns noch vom Meeresspiegel trennten. Durch die schweren Wassermassen, die sich über das Schiff ergossen, hatten wir ganze siebenhundert Meter an Höhe eingebüßt. Wären wir der Gewitterfront nicht so schnell entronnen, so hätte es leicht passieren können, daß wir im Meer gelandet wären.
Es wurde etwas heller, die Sicht besserte sich. Ich nutzte die Gelegenheit, um einige Aufnahmen vom Ozean der Venus zu machen.
Daß es kein See, sondern ein Ozean war, zeigte sich immer deutlicher. Wir flogen schon fast zwei Stunden, aber nirgends ließ sich auch nur die Andeutung einer Küste entdecken.
Vor uns tauchte wieder eine breite schwarze Wand auf. Diese Gewitterfront war so groß, daß es unmöglich war, daran vorbeizukommen. Würde Kamow noch einmal das Wagnis von vorhin unternehmen? Nein, er unternahm es nicht! Unser Schiff stieg steil empor. Eine Minute später flogen wir wieder in milchigweißem Nebel, und das mit unheimlicher Kraft tobende Gewitter blieb unter uns.
»Ein überwältigender Anblick!« sagte Paitschadse. »Der Planet ist voll junger, unverbrauchter Kräfte. Solche Gewitter hat es auch einmal auf der Erde in ihrem frühen Entwicklungsstadium, vor vielen Millionen Jahren, gegeben. Jetzt bin ich fest davon überzeugt, daß auf der Venus einst Lebewesen existieren werden.«
Wir hatten die Helme längst abgenommen. Der Atmosphärenmotor arbeitete verhältnismäßig leise, so daß man sich mühelos unterhalten konnte.
»Existieren werden?« fragte ich gedehnt. Insgeheim hatte ich immer noch gehofft, wir würden schon jetzt Leben entdecken; dabei sprach mir Arsen Georgijewitsch von ferner Zukunft.
»Sie hätten wohl gern gesehen, daß es auf diesem herrlichen Planeten schon jetzt Leben gibt?« fragte er mich. »Gut, ich will Ihnen entgegenkommen. Es ist durchaus möglich, daß im Meerwasser bereits ganz primitive Organismen entstanden sind. In Millionen Jahren werden sich aus ihnen verschiedene Formen der
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