TS 04: Das endlose Schweigen
aber kam ihm ein anderer Gedanke.
Vorsichtig sah er sich um und ging zu dem nächsten Wagen. In einem steckte der Zündschlüssel. Er stieg ein, ließ den Motor an und fuhr auf die Straße, die am Flußufer entlang führte.
Kein Mensch kümmerte sich um ihn, keiner rief ihm nach.
4. Kapitel
QUARANTÄNE WEGEN VERSEUCHUNGSGEFAHR! Nach einer Woche waren diese beiden Worte zu einem schrecklichen Fluch geworden, der überall in Form der kleinen, rosa Papierfetzen gegenwärtig war. Zu Tausenden hatten sie diese verdammte Anordnung über dem Gebiet östlich des Mississippi abgeworfen, besonders in der unmittelbaren Nähe des Flusses.
Mindestens einmal am Tag hielt Gary an, um sich mit jemand zu unterhalten, der dazu gewillt war. Unter allen Umständen wollte er versuchen, Einzelheiten des heimtückischen Angriffs auf sein Land zu erfahren. Bisher jedoch waren alle diese Versuche gescheitert. Was er erfuhr, waren nichts als wilde Vermutungen, und die meisten der Befragten hielten die Seuche immer noch für eine Art radioaktiver Strahlung. Gary wußte, daß es anders sein mußte.
Ein einziges Mal nur gelang es ihm, eine Radiostation zu erwischen. Die Stadt Rock Island bat ihre Nachbarstadt Davenport auf der andern Seite des Flusses, die verbindende Brücke wieder zu öffnen. Aber Davenport verweigerte das entschieden, obwohl in Rock Island nicht eine einzige Bombe gefallen war. Fremde jedoch, die in die Stadt gekommen waren, hatten bereits die Seuche verbreitet.
Atemlos lauschte Gary, ob die Natur der Seuche erwähnt wurde, und erfuhr, daß man zwei verschiedene Krankheiten beobachtet hatte. Die eine erzeugte Lungenentzündung und brachte unerbittlich den Tod, genau wie die zweite Erscheinung, die mehr an eine Vergiftung erinnerte. Das allerdings war alles, was Gary erfahren konnte. Die Frage nach der Ursache blieb unbeantwortet.
Nach einer Woche faßte er einen Entschluß.
Vorsichtig alle Krater und Trümmer vermeidend, suchte er sich einen Weg in das Innere von Bloomington. Der Anblick der Leichen und der Verwesungsgeruch trieben ihn immer wieder zurück, aber endlich fand er, was er suchte: die Stadt-Bibliothek.
Die breiten Glastüren waren zerbrochen, und er konnte ohne weiteres eindringen. Stundenlang suchte er, bis ihm nach vielem vergeblichen Herumblättern ein Werk mit dem Titel: „Die biologische Kriegführung“ in die Hände fiel. Er suchte sich einen Platz und begann zu lesen.
Zum ersten Male in der Geschichte tauchte der Gedanke der biologischen Kriegsführung auf, als man 1914 den Verdacht faßte, feindliche Agenten hätten in Amerika Vieh mit einem Serum geimpft, das eine Seuche unter den Menschen verbreitet hätte, wäre das Fleisch verzehrt worden. Es hatte sich aber wahrscheinlich nur um eine bloße Vermutung gehandelt. Erst im Jahre 1941, während des Zweiten Weltkrieges, hatten die USA mehr als 50 Millionen Dollar dafür ausgegeben, um Mittel und Wege zu finden, eine bakteriologische Kriegführung anzuwenden. Dreitausend Wissenschaftler arbeiteten an dem Problem, dem Tod ein neues Gesicht zu geben. Man interessierte sich damals besonders für eine gewisse Form der Fleischvergiftung.
Die Experimente hatten Erfolg, und man konnte das Gift in Form von Kristallen herstellen. Es war so giftig, daß wenige Gramm genügt hätten, mehr als 180 Millionen Menschen umzubringen. Man war damals bereit, dieses Gift in das Gebiet des Feindes bringen zu lassen.
Gary machte eine Pause und zündete sich eine Zigarette an. Dann las er weiter, und die nächsten Sätze erregten sein besonderes Interesse.
Besonders die Lungenentzündung eignete sich zur bakteriologischen Kriegführung, stand da unübersehbar in dem Buch. Sie konnte durch gewisse Mittel in eine Art Lungenpest umgewandelt werden, die in 99 von 100 Fällen den Tod herbeiführte. Bereits wenige Stunden nach der Infektion traten die ersten Symptome auf, denen der sofortige Tod folgte. Das Gesicht verfärbte sich dabei blau-violett.
Gary bemerkte, daß ihm die Zigarette plötzlich nicht mehr schmeckte und er warf sie in hohem Bogen fort. Aber er las weiter:
„Besonders die USA sind gegen bakteriologische Kriegführung sehr empfindlich, allein wegen der isolierten Lage. Eine Seuche würde sich rasend schnell verbreiten, fände man nicht sofort das Gegenmittel. Noch schlimmer als bei einer Atombombe wäre die Wirkung, und in wenigen Tagen könnte der ganze Kontinent entvölkert sein, würde ein Feind dieses grausame Mittel der Vernichtung
Weitere Kostenlose Bücher