TS 04: Das endlose Schweigen
einen denkbaren technischen Hintergrund projiziert erscheint. Bekanntlich ist es heute möglich, manche zukünftigen Entwicklungen vorauszusagen, wenn man z. B. die Ziele der derzeitigen industriellen Forschung kennt und abwägt, was sich daraus für Folgerungen ergeben, wenn eines davon erreicht wird, was sich daraus wieder ergibt usw. Nun ist das Zeitgeschehen allerdings mehr Einflüssen unterworfen, als sich einkalkulieren lassen; gültige Voraussagen für alle Lebensumstände sind also nicht möglich. Man kann aber das Eintreten bestimmter Konstellationen postulieren und kommt so zu einem konsequenten möglichen Bild ferner Zeitläufe.
Es läßt sich nun nicht ableugnen, daß es lesenswerte Arbeiten gibt, die sich auf Umstände stützen, die nach unserem heutigen Wissen prinzipiell nicht realisierbar sind. Da unsere heutigen Kenntnisse noch dürftig sind und die Ansichten in speziellen Fällen oft auseinandergehen dürften, wollen wir die technisch-wissenschaftliche Wahrscheinlichkeit nicht fordern, sondern nur als wünschenswert hinstellen. Immerhin sollte uns eine Kritik über den Grad der Wahrscheinlichkeit des Dargestellten Auskunft geben.
Zu 5: Dieser Punkt findet wohl die wenigste bewußte Beachtung, obwohl mit ihm der besondere Wert der science-fiction als eigener literarischer Form steht und fällt. Die Frage lautet: Hat der Autor ihre einzigartigen neuen Möglichkeiten genützt, nämlich die, neue Konflikte zu behandeln?
Ein Verzicht darauf bedeutet, daß uns nichts anderes vorgesetzt wird als das, was auch in der historischen Vergangenheit und Gegenwart spielen könnte.
Gewechselt hat bloß die Kulisse – die Helden fahren nun zwar in Raumschiffen und schießen mit Atompistolen, aber sie erleben nur Altbekanntes, längst tausendfach Beschriebenes. Wir können sie aber ganz anderen Situationen aussetzen, etwa der geistigen Auseinandersetzung mit Robotern, der Verantwortung, neue Menschenrassen zu züchten, der Relativität von Raum und Zeit. Wie solche Dinge behandelt sind, wie die Mitwirkenden damit fertig werden oder auch nicht, das zeigt die Meisterschaft in der science-fiction, das Schöpferische in ihr, wogegen alle anderen Punkte nichts anderes als Routineangelegenheiten betreffen. Man sollte daher in jeder Kritik einen Hinweis darauf finden.
Mit diesem Schema habe ich einen Versuch gewagt, der von anderen fortgeführt werden mag. Er soll dem Ziel dienen, ideale Voraussetzungen für die science-fiction zu schaffen. Natürlich bin ich mir klar darüber, daß es immer Ausnahmen geben wird, die sich nicht katalogisieren lassen. Auch weiß ich, daß nicht jedes Werk ein Meisterstück werden kann. Vielleicht sind die an ein ideales Ergebnis gestellten Ansprüche auch zu groß für den durchschnittlichen Leser. Den wollen wir ja vor allem gewinnen, und wir werden das nur erreichen, wenn wir ihm zunächst nichts Fremdes, zu Ungewohntes liefern, sondern ihn vom ihm Gewohnten her in unsere Richtung zu lenken versuchen. Das Endziel unseres Strebens sollten wir aber nicht vergessen: science-fiction mit allen guten Eigenschaften – bestechend im Stil, logisch im Ablauf, mitreißend und spannend, faszinierend in der technischen Situation, ergreifend in der Dramatik.
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