TS 04: Das endlose Schweigen
Leutnant da drüben weiß selbst nicht recht, was eigentlich passiert ist. Bomber, Ferngeschosse und Agenten, die das Wasser vergifteten. Atombomben und Bakterienbomben, dazu noch zwei verschiedene Arten von Bakterien.“ Oliver machte eine Bewegung zu dem Land hin, das in ihrem Rücken lag. „Ich verstehe das nicht ganz. Wozu verwüstet man ein fruchtbares Land? Welchen Zweck hat es?“
„Ich will auf die andere Seite!“ sagte Gary entschlossen.
„Sicher, ich will das auch. Bald sind die Lebensmittel verbraucht.“
„Ich hatte einen genügenden Vorrat“, erzählte Gary. „Einen guten Wagen, Konserven in jeder Menge, Waffen – ein Kind hat mir den ganzen Kram gestohlen und ist damit verschwunden.“
„Ja, diese Halunken lernen schnell.“
„Es war ein Mädchen. Sie behauptete, bereits neunzehn Jahre alt zu sein. Sah aus wie sechzehn und handelte auch so, als sie davonlief. Einmal allerdings, da handelte sie wie neunzehn …“
Oliver zog genießerisch an seiner Zigarette.
„Ich würde vorschlagen, wir beide tun uns zusammen. Wir organisieren uns einen Lastwagen, laden ihn mit Konserven voll, die wir finden, und suchen uns einen sicheren Zufluchtsort.“
Gary betrachtete wieder die Brücke.
„Du meinst, wir sollten nicht …?“
„Nein, das ist völlig ausgeschlossen. Ich habe es wirklich versucht, aber es hat keinen Zweck. Wir müssen warten, bis alles vorüber ist, und wir müssen genügend Lebensmittel haben, um auszuhalten. Und Waffen! Denn wenn einmal der Hunger ausbricht, wird auch geschossen.“
Gary stand auf.
„Ich glaube fast, du hast recht. Gehen wir, ich habe Hunger.“
Sie kletterten in den Wagen und fuhren auf die Straße, die hinein in das verseuchte Land führte. Bald war die Brücke hinter ihnen verschwunden.
Die Soldaten sahen hinter dem Wagen her, bis er hinter einer Bodenerhebung versank. Dann erst schob der eine von ihnen eine neue Patrone in das Magazin seines Gewehres.
Um sie herum war die Stille des Todes.
5. Kapitel
Corporal Gary trat das verlöschende Feuer gänzlich aus und bedeckte die glimmenden Überreste mit Erde. Dabei leckte er sich genießerisch über die Lippen, um auch den letzten Geschmack des verzehrten Eies zu genießen.
„Es war das letzte!“ teilte er lakonisch mit.
„Schade!“ gab Oliver zu. Er saß knapp zehn Meter von der Lagerstelle entfernt, ein Gewehr schußbereit im Arm. „Vielleicht hätten wir die Henne besser doch am Leben gelassen.“
„Du wolltest ja unbedingt Hühnerbraten, stimmts?“
„Sie war ein zähes Luder“, nickte Oliver verträumt, „aber sie hat wundervoll geschmeckt. Die ewigen Eier waren wir sowieso bald leid.“
„Ob du das in der kommenden Woche auch noch behauptest?“ wunderte sich Gary.
„Eventuell! Es ist schade, daß diese Farmer so engstirnig sind.“
Gary sah hinab auf seinen Ärmel, der von einer hastig abgefeuerten Kugel zerrissen worden war.
„Ja, noch nicht einmal vor der Armee haben sie Respekt“, beschwerte er sich.
Oliver betrachtete das Gelände nachdenklich.
„Man sollte sich ein wenig mehr nach Süden begeben, es wird schon empfindlich kühl in den Nächten.“
„Einverstanden, wenn ich auch meine, hier sei es sicherer. Aber wenn schon, dann machen wir den Umweg über Knoxville oder Chattanooga. Unsere Vorräte bedürfen immer einer Auffrischung. Außerdem befindet sich da in der Nähe das Fort Oglethorpe. Ich hätte gern eine anständige Maschinenpistole.“
Oliver grinste vergnügt.
„Hast du eine Ahnung, was die Besatzung des Forts bis jetzt getrieben haben mag?“
„Brandy getrunken, was sonst? Statten wir ihnen also einen Besuch ab, was meinst du?“
„Wenn du denkst! Ein großes Risiko ist es nicht.“
Sie standen auf und gingen langsam zu ihrem Fahrzeug, einem mittleren Posttransporter.
Der Wagen hatte einen grünlichen Tarnanstrich und sich als eine glückliche Wahl erwiesen. Obwohl nicht besonders schnell, bot er seiner Panzerung wegen außerordentlichen Schutz gegen jegliche Überfälle. Sowohl die Vorräte im Laderaum wie sie selbst waren durch genügend dicke Panzerwände von der Außenwelt getrennt. Die Federung ließ zu wünschen übrig, aber Sicherheit stand höher im Kurs als Bequemlichkeit.
Die Zeit verging, und jeden Monat suchten sie einmal jene Brücke am Mississippi auf, um festzustellen, daß die Quarantäne noch nicht aufgehoben war. Leutnant MacSneary hatte seine Meinung nicht geändert und verweigerte die Überquerung des Flusses. Oliver
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