TS 04: Das endlose Schweigen
Blicke über die Schulter zurück, um dann mit erneuter Anstrengung weiter zu laufen.
Gary entdeckte die Verfolger sofort. Es waren zwei Männer, mit Gewehren bewaffnet, von denen der eine gerade eine neue Patrone in den Lauf gleiten ließ. Allem Anschein nach aber wollten sie ihre Beute lebend bekommen.
Gary überlegte nicht lange. Er griff zu seinem eingetauschten Gewehr und drückte sich auf den Rücksitz zusammen. Gleichzeitig öffnete er die Wagentür.
Der Flüchtling rannte weiter. Er schien die Bewegung nicht bemerkt zu haben, denn sein Ziel war offensichtlich das Auto. Da erklang der zweite Schuß. Das Opfer schrie gellend auf, aber Gary vermochte nicht zu sagen, ob es getroffen war, oder ob nur der Schreck ihm diesen Schrei entlockte. Er entsicherte seine Waffe.
Es war ein Mädchen. Das sah er aber erst, als sie in den Wagen stürzte und dort halb bewußtlos auf den Boden sank. Sie hatte ihn nicht bemerkt. Er beugte sich über sie hinweg und schloß die Wagentür. Da öffnete sie die Augen und stieß einen zweiten Schrei aus. In ihren Augen war eine schreckliche Angst. Mehr als zwölf Jahre alt konnte sie nicht sein.
„Sei ruhig, ich tue dir nichts!“ sagte er beruhigend.
Aber sie schrie weiter. Ohne sich darum zu kümmern, drückte er sie auf den Boden und hockte sich in die entgegengesetzte Ecke.
„Nun bleib liegen. Gleich kommen deine beiden Freunde. Wenn du vernünftig bist, sind sie im Nu erledigt, und du hast deine Ruhe.“
Sie würden zu der gleichen Tür hereinkommen, durch die das Mädchen in den Wagen gefallen war. Gary wartete, den Finger am Abzug.
Die Tür wurde aufgerissen.
„Ich habe sie, die kleine Kanaille …“
Gary hielt ihm die Mündung seines Gewehrs dicht vor die Augen und drückte ab. Ohne einen weiteren Laut sank der Mann zurück und fiel in den Schnee, der sich sofort rot färbte. Der zweite Verfolger hielt mitten im Lauf an und hob sein Gewehr. Aber Gary war schneller. Mit einem einzigen wohlgezielten Schuß erledigte er ihn.
Ohne sich weiter um die beiden Leichen zu kümmern, schloß er die Tür und drehte die Fenster wieder hoch, die er zuvor geöffnet hatte, um eine bessere Übersicht zu erhalten.
Das Mädchen saß in seiner Ecke und weinte ununterbrochen. Er wußte nicht, wie er sie zum Schweigen bringen sollte, denn sie schien ihm zu jung, sie einfach zu knebeln.
Und so dauerte es eine gute Stunde, bis sie allmählich zu begreifen schien, daß ihr keine neue Gefahr drohte. Sie hörte ihm zu, wenn er sprach, und gab vernünftige Antworten, wenn er sie etwas fragte. Leicht war es nicht für Gary, alles Wissenswerte aus ihr herauszuholen und gleichzeitig die Umgebung zu beobachten, ob sich niemand nähere.
Ihr Name war Sandy Hoffmann, sie war zwölf Jahre alt und lebte mit ihren Eltern und zwei Brüdern auf einer nahe gelegenen Farm. Heute früh war sie zusammen mit ihrem ältesten Bruder Lee – er war vor kurzem gerade fünfzehn geworden – auf Kaninchenjagd gegangen. Der Vater hatte sie noch gewarnt, sich nicht zu weit von der Farm zu entfernen, da sich Diebe herumtrieben. Aber allem Anschein nach war dieser Rat nicht befolgt worden. Kaninchen hatten sie nicht gefunden.
Lee war vorausgegangen, und ihre ganze Aufmerksamkeit galt einem größeren Gebüsch, in dem sich sehr gut Kaninchen aufhalten konnten, als die beiden Männer sie überfielen. Sie trugen Gewehre, und Lee zögerte nicht, auf sie mit seiner kleinen Jagdflinte zu schießen. Er verfehlte sein Ziel und wurde niedergeschossen.
Sie flüchtete. Da sie das Gelände kannte, konnte sie einen Vorsprung erringen, dann aber begannen ihre Kräfte zu erlahmen, und die beiden Verfolger holten auf. Sie wußte nicht mehr, wie lange sie gelaufen war, bis sie endlich die Straße fand und den Wagen sah.
„Und was sollen wir nun tun?“ fragte sie altklug.
„Tun? Hm, ich weiß es nicht“, gab er zu. „Ich muß erst einmal überlegen.“
In ihm entstand eine vage Idee, die den an sich unangenehmen Zwischenfall zu seinem Gunsten wenden konnte. Wäre das Mädchen älter gewesen – oder ein Mann, so hätte er sich nichts daraus gemacht, sie einfach im Stich zu lassen. Aber so tat ihm das Mädchen leid. Außerdem konnte sie ihm vielleicht zu einem warmen und sicheren Winterquartier verhelfen. Dreimal am Tag würde es eine Mahlzeit geben, und nachts konnte man ruhig schlafen.
Es sollte einen Versuch wert sein.
„Wir werden zuerst Lee suchen. Dann nehmen wir ihn mit und bringen ihn zu deinen
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