TS 08: Das Reich der fünfzig Sonnen
mit ruhiger Stimme. Ihr fiel ein, daß ihre Feststellung sogar für sie selbst zutraf. Das Plebiszit würde erst in zwei Tagen stattfinden.
Maltby warnte: »Ich rate Ihnen dringend, meine Fragen zu beantworten.«
»Was geschieht, wenn ich es nicht tue?«
Während sie sprach, erreichte ihre Hand, die sie unauffällig auf eine kleine Instrumententafel an der Kante ihres Bettes zubewegt hatte, ihr Ziel. Triumphierend drückte sie einen der Knöpfe nieder. Aus der Dunkelheit kam Maltbys Stimme: »Ich entschloß mich, Ihnen das zu gestatten. Ich hoffe, daß Sie sich jetzt sicherer fühlen.«
Seine Ruhe brachte sie aus der Fassung, aber sie fragte sich dabei, ob ihm eigentlich klar geworden sei, was sie getan hatte. Kühl erläuterte sie, daß sie eine Bank sogenannter sensitiver Lichter aktiviert hatte. Von diesem Augenblick an würden sie ihn mit ihren zahlreichen elektronischen Augen beobachten. Jeder Versuch von seiner Seite, eine Energiewaffe anzuwenden, würde von entgegenwirkenden Kräften vereitelt werden. Es hinderte sie ebenfalls, sich einer Waffe zu bedienen, aber es schien unklug, das zu erwähnen.
Maltby wehrte ab: »Ich beabsichtige nicht, eine Energiewaffe zu benutzen. Aber ich hätte gern Antwort auf weitere Fragen.«
»Vielleicht.« Sie sprach sanft, obgleich die Passivität Lieutenant Neslors sie zu irritieren begann. Sicher war es jetzt an der Zeit, irgend etwas zu unternehmen.
»Wie groß ist dieses Schiff?« verlangte Maltby zu wissen.
»Es ist vierhundertfünfzig Meter lang und beherbergt insgesamt dreitausend Offiziere und Mannschaften.«
»Reichlich groß«, murmelte Maltby. Er war beeindruckt und fragte sich, wie weit sie übertrieb.
Der Grand Captain ging nicht darauf ein. In Wirklichkeit betrug die Größe das Zehnfache ihrer Angaben, und sie war sicher, daß der Eindringling sich keine Vorstellung von dem gewaltigen Defensiv- und Offensivpotential des Schiffes machte.
Maltby meinte: »Ich frage mich, wie unsere Gefangennahme eigentlich vor sich ging. Könnten Sie mir das erklären?«
Endlich kam er also darauf zu sprechen. Lady Laurr erhob ihre Stimme: »Lieutenant Neslor!«
»Ja, edle Lady?« Die Antwort drang prompt aus der Dunkelheit.
»Finden Sie nicht auch, daß diese Komödie lange genug gedauert hat?«
»Allerdings? Soll ich ihn töten?«
»Nein. Jetzt wird er mir einige Fragen beantworten.«
Maltby bemächtigte sich der Kontrolle über ihr Gehirn, während er sich eilig zu dem Transmitter bewegte. Hinter ihm …
»Nicht schießen!« befahl Gloria heftig. »Lassen Sie ihn gehen!«
Maltby verließ unangefochten die Brücke und vermochte das Signal zu geben, das die Atmion befreite. Als das Schiff der Fünfzig Sonnen in der Ferne verschwand, begannen die Offiziere des irdischen Schiffes – entsprechend einem letzten Stichwort – ihre Beteiligung an der Flucht zu vergessen.
Das gegnerische Schiff zu betreten und wieder zu entkommen – das Wagnis hatte in sich selbst bedeutend genug gewirkt. Was ihm jetzt Sorge bereitete, war: Wie würden die Offiziere und die Mannschaft der Atmion, wie würde die Öffentlichkeit der Fünfzig Sonnen auf diesen Vorfall reagieren? Noch schwieriger war vorauszusagen, was an Bord der Star Cluster geschehen würde.
Die eintretenden Reaktionen zeichneten sich nicht sofort ab. Maltby erfuhr, daß Admiral Dreehan der Regierung der Fünfzig Sonnen einen Bericht sandte. Zwei Tage ereignete sich jedoch nichts.
Am dritten zeigte der tägliche Funkspruch der Star Cluster, daß sie ihren Kurs einschneidend geändert hatte. Die Ursache dieser Änderung blieb verborgen.
Am vierten Tag erschien auf Maltbys Sichtplatte das Bild Vizeadmirals Dreehan. Der Kommandant sagte ernst: »Dies betrifft eine Ankündigung für die gesamte Mannschaft. Ich habe soeben aus dem Hauptquartier der Flotte folgende Botschaft erhalten.«
Ruhig verlas er das Dokument.
»Hierdurch wird erklärt, daß zwischen den Völkern der Fünfzig Sonnen und dem irdischen Schiff Star Cluster der Kriegszustand herrscht. Die Flotte wird sich dem Gegner stellen und die Schlacht suchen. Schiffe, die in Gefahr sind, erobert zu werden, müssen ihre Sternkarten vernichten; von allen Astrogations- und Meteorologieoffizieren an Bord solcher Schiffe erwartet das Vaterland, daß sie Selbstmord begehen. Es ist erklärte Politik der souveränen Regierung der Fünfzig Sonnen, den Invasor zu zerstören.«
Dreehan fuhr im Unterhaltungston fort: »Mir sind private Informationen zugegangen, wonach die
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