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TS 10: Das vertauschte Ich

TS 10: Das vertauschte Ich

Titel: TS 10: Das vertauschte Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jerry Sohl
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Schwarze, weit auseinanderstehende Augen und eine dicke Nase, ein voller Mund und ein schwach ausgebildetes Kinn! Die Haut war pockennarbig und mit Bartstoppeln bedeckt. Es war das Gesicht eines etwa fünfzigjährigen Mannes.
    Er blickte fasziniert auf sein neues Gesicht. Dann verließ er das Waschbecken und schleppte sich zum Bett zurück.
    Ein furchtbarer Fehler mußte unterlaufen sein, darüber gab es keinen Zweifel! Er blickte sich in dem Zimmer um, erfaßte jede Einzelheit, in der Hoffnung, daraus etwas schließen zu können. Weiße Kalkwände, hohe Decken, elektrisches Licht hoch oben an der Decke. Warum? Sogar wenn er auf dem Bett stand, konnte er es nicht einmal erreichen. Er suchte den Schalter.
    Es gab keinen!
    Was war das? Er schaute auf, sah Fenster hoch oben in den Wänden, höher, als er hinaufreichen konnte. Draußen war es Nacht. Weiße Gitter zeichneten sich vor den Fenstern ab.
    Gitter!
    Nichts auf dem Tisch, keine Stühle, kein Spiegel, kein Glas, kein Schalter, hohes Licht!
    Bradley Kempton ging zu der einzigen Tür – fand sie verschlossen. Er lauschte, hörte nichts.
    Er klopfte; keine Antwort.
    Er klopfte lauter.
    Schlurfende Schritte näherten sich der Tür. Er wich zurück, als er das quietschende Drehen des Schlüssels hörte. Ein Kopf erschien ungefähr in Augenhöhe in einem kleinen Schiebefenster.
    Ein junger Mann blickte Kempton neugierig an.
    »Haben Sie an die Tür geschlagen?« fragte der Mann.
    »Ja«, antwortete Kempton. »öffnen Sie die Tür!«
    Der andere zeigte sich überrascht. »Machen Sie keine Witze, Mann!«
    »Nein, ich mache durchaus keine Witze. Was ist los? Warum ist die Tür verschlossen?« Er ging zur Tür, versuchte sie wieder zu öffnen. Vergeblich.
    »Wer sind Sie?« fragte Kempton.
    »Wer ich bin?« Seine Augen blickten amüsiert. »Lassen Sie mich fragen: wer sind Sie? «
    »Ich bin Bradley Kempton. Etwas Schreckliches ist geschehen! Bei der Restaurierung hat man meinen Körper vertauscht! Verständigen Sie sofort den Administrator!«
    Der junge Mann lachte. »Für einen Augenblick haben Sie mich genarrt, Mr. Lemmen. Für einen Augenblick dachte ich schon, daß Sie vielleicht normal geworden wären. Aber Sie sind noch genauso verrückt wie eh und je. Sie nennen sich – Canton oder so?«
    »Kempton«, antwortete Bradley würdevoll und buchstabierte den Namen. »Ich bin Präsident der Prismoid-Gesellschaft. Auf irgendeine Weise wurde ich restauriert und…« völlig sinnlos, mit einem Angestellten darüber zu sprechen – »lassen Sie mich bitte mit dem Administrator verhandeln!«
    »Gewiß, gewiß, Mr. Lemmen«, sagte der junge Mann, machte jedoch keinerlei Anstalten zum Gehen. »Wie fühlen Sie sich ansonsten? Es war eine lange Operation. Werden Sie jetzt nicht mehr Mr. Lemmen sein?«
    »Ich weiß nicht, was Sie da erzählen, junger Mann, aber ich habe eine Menge wichtiger Arbeiten zu erledigen. Ich muß hier heraus. Ich muß zurück zum Werk!«
    »Ja, ja. Das wollen sie alle. Nun beruhigen Sie sich erst einmal, Mr. Lemmen«, sagte der Wärter.
    Bradley Kempton konnte ihn nur anstarren.
    »Auf jeden Fall haben Ihre Augen den irren Blick verloren, und Sie sehen weniger gewalttätig aus. Und das bedeutet schon einen Fortschritt. Jetzt seien Sie aber schön artig. Haben Sie verstanden?«
    Damit schlug er das Schiebefenster zu, und wieder war das Quietschen des sich drehenden Schlüssels zu hören.
     
    *
     
    Die Stunden in dem unerträglichen weißen Raum erschienen Bradley Kempton als Jahre. Das Rätsel seiner neuen Identität als Mann namens Lemmen und der Grund dafür blieben unbeantwortet.
    Er konnte nur dasitzen, auf seine Arme und die spindeldürren Beine starren und wünschen, daß alles nur ein böser Traum wäre. Aber die harte Matratze auf dem Bett, das heiße Zimmer und die armselige Glühbirne waren brutale Wirklichkeit.
    Er wollte jedoch nicht in Betracht ziehen, daß die Föderation absichtlich diesen Restaurierungsfehler begangen hatte; er konnte es sich ganz einfach nicht vorstellen! Gewiß, er kannte die Menschen und ihre Schwächen, aber irgendwie hatte es immer den Anschein gehabt, daß die Föderation von Korruption frei war. Trotz allem aber blieb die schmerzlich? und wirkliche Tatsache bestehen: Er, Bradley Kempton, war in einen falschen Körper restauriert worden.
    Der Mann, der seinen Kopf durch das Schiebefenster gesteckt hatte, mußte ein Wärter gewesen sein, und nach den Fenstergittern zu urteilen, befand er sich in einem Irrenhaus, und

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