TS 15: Der Unheimliche
zeigte mir den Weg zum Hotel. Am nächsten Tag fuhr ich wieder zu der Ausstellung und schrieb dort den Brief an Sie.“ Paul zögerte einen Augenblick und lächelte ein wenig verlegen. „Ich wußte nur nicht, wohin ich ihn schicken sollte.“
„Du heiliger Strohsack“, platzte der Captain heraus. „Das alles mit dreizehn Jahren?“
Mit einem einzigen Blick brachte ihn der CIC-Agent zum Schweigen.
„Ich bin sehr überrascht“, sagte Palmer ruhig.
„Sir?“
„Daß Sie nicht wußten, wohin Sie den Brief schicken sollten. Alles andere scheinen Sie doch gewußt zu haben: Bixbys Namen, das Code-Wort, mit dem er seine Briefe zu unterzeichnen pflegte, die Namen der beiden Männer, die auf ihn geschossen hatten, und wo sich die Gangster versteckt hielten. Merkwürdig, daß Sie dann nicht ebenfalls wußten, an wen Sie den Brief richten sollten.“
„Mr. Bixby hatte nichts darüber gesagt, Sir.“
Palmers Augen blitzten auf. „Sie sagten vorhin, Bixby hätte Ihnen überhaupt nichts gesagt, nicht einmal seinen Namen.“
„Nein, Sir.“
Palmer schien zum erstenmal die Geduld zu verlieren. „Woher zum Teufel wußten Sie dann all das andere?“
Vorsichtig beobachtete Paul die drei Männer, den Captain, der an jedem seiner Worte zu hängen schien, den jetzt verärgerten Palmer und den schweigenden CIC-Agenten.
„Ich habe seine Gedanken gelesen, Mr. Palmer.“
Lautlose Stille. Niemand bewegte sich. Und doch spürte Paul die Veränderung, die in diesem Augenblick vor sich ging; die Änderung in der Ansicht eines der Männer: Conklin! Ruhig starrte ihn der CIC-Mann an und verzog keine Miene. Palmer hingegen war nur noch mehr verärgert, und Evans schließlich glaubte, daß der Mann ganz einfach log.
Lauernd sagte der FBI-Agent: „Wir sind Ihnen nicht vorgestellt worden, Breen. Woher wissen Sie meinen Namen?“
Paul antwortete ihm, sah dabei aber Conklin an. „Ich lese Ihre Gedanken ebenfalls.“
*
Keiner der vier Männer sollte jemals diesen Augenblick vergessen; weder der Captain, nicht einmal dann, als er später auf einen gottverlassenen Vorposten in der Südsee abgeschoben wurde, noch Conklin, nicht bis zu dem Augenblick, als ihn im Herzen Rußlands die Kugel eines Wachpostens zu Boden warf, noch Palmer, nicht bis zu dem Tag, als er in seinem Bett friedlich ins Jenseits hinüberschlummerte. Auch Breen vergaß die Szene nicht, als er im dritten Stock eines Landhauses in Maryland gefangen gehalten wurde. Sein freimütiges Eingeständnis war der Wendepunkt im Leben der vier Anwesenden.
„Breen, jetzt hören Sie mal gut zu“, schnauzte Evans.
Peter Conklin brachte ihn ein zweites Mal zum Schweigen.
Palmer war aufgesprungen und schien Paul mit seinen Augen durchbohren zu wollen. „Wollen Sie uns zum Narren halten?“
„Nein, Sir.“
„Warum sagen Sie dann einen derartigen Unsinn?“
„Weil es wahr ist.“
„Breen, ich sehe, ich habe mich in Ihnen getäuscht.“
Paul hielt seinen Blicken stand und sagte ruhig: „Soll ich Ihnen sagen, was Sie in diesem Augenblick denken, Mr. Palmer?“
„Ich denke, daß Sie sich zutiefst lächerlich machen.“
„Jawohl, Sir, das denken Sie, und Sie glauben, daß ich lüge. Nur ist Ihnen nicht klar, warum ich lügen sollte.
Sir, Sie haben eine sechsundvierzig Jahre alte Frau, die mit Ihnenherumzankt, weil Sie nach ihrem Dafürhalten nicht oft genug die Socken wechseln. Sie haben Zwillingstöchter, die zwanzig Jahre alt sind. Eine von ihnen ist mit einem Mann verheiratet, der Ihnen ständig im Nacken sitzt, Sie sollen ihm eine Anstellung beim FBI verschaffen. Nach Ihrer Meinung ist der Mann jedoch nicht einmal zum Gartenumgraben zu gebrauchen. Sie leiden an Arthritis im linken Knie und haben an der Ferse eine Blase. An schlechten Tagen ist Ihr Hinken deutlich ausgeprägt, und Sie leben in der ständigen Angst, das FBI könnte Sie vorzeitig pensionieren …“
„Aufhören!“ schrie ihn Palmer an.
„Jawohl, Sir.“
Palmer war zurückgewichen und starrte Paul an, als ob er ein reißendes Tier wäre.
Fassungslos ließ Captain Evans den Blick von einem zum anderen gleiten. Sein Verstand weigerte sich ganz einfach zuzugeben, daß etwas Derartiges möglich wäre.
„Breen“, sagte er. „Breen, ist das wahr? Können Sie das wirklich?“
Paul wandte sich zu ihm um.
„Ist das Ganze nicht nur ein alberner Scherz, mit dem Sie sich aus der Klemme helfen wollen?“
„Sir, soll ich Ihnen von den fünfzehn Tonnen Koks berichten, die Sie abzweigen
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