TS 16: Einer von Dreihundert
Schnittwunden und Beulen am Kopf hätte kümmern können.
Sie kam und wollte mir dafür danken, daß ich ihr das Leben gerettet hatte. Leslie unterbrach sie. „Er hat es gern getan, Aileen“, sagte sie. „Jetzt wird er jede Gelegenheit benutzen, Ihnen das Leben zu retten und Sie wieder zu küssen.“
„Er hat mich nicht geküßt!“ protestierte Aileen.
„Warum denn nicht?“ fragte Leslie erstaunt.
„Ich mache mir nichts aus Blondinen“, antwortete ich.
18. Kapitel
Unsere erste Wahl machte mich zum GL. Der Titel „Leutnant“ war nie ein sehr glücklicher gewesen und nur benutzt worden, um uns eine Art von militärischer Befehlgewalt über die Menschen zu geben, die wir zum Mars mitnahmen oder nicht mitnahmen. Nun wurden wir „Gruppenleiter“ oder kurz GL genannt.
Gegen meine Wahl als GL gab es keine Opposition, nicht einmal von Morgan. Seit ich ihn ausgepeitscht hatte, war er zu meiner Überraschung ruhiger geworden. Er schien jedoch nicht zu bereuen, was er Betty angetan hatte; im Gegenteil, es bestand kaum Zweifel darüber, daß er zu jenen Zwangssadisten gehörte, die ebensowenig darauf verzichten können, ein Mädchen zu quälen, wie ein Süchtiger auf das Rauschgift. Er und Betty kämpften wie zwei Wildkatzen, und natürlich zog Betty stets den kürzeren. Aber er ging nie so weit, daß ich ihn wieder hätte peitschen müssen.
Sie erschien zum Beispiel mit einer Beule im Gesicht und behauptete, sie habe nichts zu bedeuten. Oder sie hatte blaue Spuren an ihren dünnen Handgelenken. Einmal hatte sie einen Verband um Arm und Schulter, und ich wollte mir Morgan wieder vornehmen, aber es stellte sich heraus, daß er diesmal wirklich nichts damit zu tun hatte. Der Wind hatte sie gegen eine Wand getrieben.
Die Aufhebung der Ehe tat ihren Beziehungen nicht gut. Morgan sagte zwar nicht ausdrücklich, daß er mit Betty fertig war, aber er ließ sie deutlich fühlen, daß es ihm gleichgültig war, ob sie bei ihm blieb oder nicht. Doch Betty, das arme Kind, liebte den Mann immer noch.
Ich hatte mir schon eine Zeitlang gedacht, daß Ritchie einer der führenden Spekulanten war und daß Morgan irgendwie mit ihm zusammenarbeitete. An dem Sturm hatte Ritchie sehr gut verdient und machte daraus kein Geheimnis.
Der Tod so vieler Menschen hatte das ganze Arbi-System erschüttert, da eine Menge der in Umlauf befindlichen Arbeitsverträge plötzlich wertlos wurden. Ritchie verfuhr anscheinend nach der altbewährten Methode, die Kurse so weit herunterzudrücken, wie es ging, so viel wie möglich aufzukaufen und dann die Kurse wieder steigen zu lassen. Ich verfolgte seine Transaktionen nicht im einzelnen, aber die allgemeine Tendenz war klar.
„Sie sind doch ein gescheiter Kerl, Bill“, sagte er gutgelaunt zu mir, als ich ihm einmal begegnete. „Sie wissen doch bestimmt, daß ein smarter Geschäftsmann an allem und jedem verdienen kann. Ich wiederhole das Angebot, das ich Ihnen schon im Krankenhaus gemacht habe. Wenn Sie bei mir einsteigen wollen …“
„Ritchie“, sagte ich entrüstet, „Sie sind doch auf Ihre Art auch ein gescheiter Kerl und wissen ganz genau, daß ich bei keinem von Ihren Geschäften mitmache.“
Ritchie lachte wie über einen sehr guten Witz. „Das habe ich an Ihnen so gern, Bill“, sagte er lebhaft. „Sie spielen mit offenen Karten. Aber ich will genau so ehrlich mit Ihnen sein. Ich habe gehört, daß Sie Aileen das Leben gerettet haben, und ich bleibe nicht gern etwas schuldig. Darum …“
„Darum bieten Sie mir etwas an, von dem Sie wissen, daß ich es nicht annehme?“
„Ja“, sagte Ritchie freundlich. „Meiner Meinung nach mache ich Ihnen ein sehr gutes Angebot – oder ich würde es machen, wenn Sie mich ließen. Wenn Sie es nicht annehmen, ist es doch nicht meine Schuld, nicht wahr?“
„Lassen Sie es gut sein, Ritchie“, sagte ich. „Ich habe Aileen gern, obwohl sie ihre Tochter ist. Ich würde ihr jederzeit das Leben retten. Wie kommen Sie denn überhaupt zu so einer Tochter?“
„Sie gerät nach ihrer Mutter“, gestand Ritchie.
Solche Sachen nahm Ritchie nicht übel. Er schien nie jemandem etwas nachzutragen und trug auch wirklich nichts nach.
Seine Art und Weise muß ihm sehr geholfen haben. Er erweckte immer den Eindruck, als wolle er einem wirklich Geld leihen, als wolle er einem helfen. Und erst später merkte man, wie sehr er sich dabei selber geholfen hatte.
Ich hörte von mehr und mehr Leuten, die in irgendeiner Weise in Ritchies Händen
Weitere Kostenlose Bücher