TS 18: Der strahlende Phönix
sich nicht darum, sondern sagt, daß es nur die Schwächlinge sind, die eingehen, und auf die können wir verzichten.“ Er schüttelte den Kopf. „Menschen brauchen keine Schwächlinge zu sein, nur, weil sie manchmal den Tod durch Erfrieren finden. Es ist bitter kalt hier in den Wintermonaten.“
Er fiel wieder in Schweigen.
Unser Auto fuhr langsam, und ich sah, wie plötzlich hochmütige Gesichter in unsere Richtung schauten, und ich fühlte neugierige Blicke auf mich geheftet. Der Führer dieser Gruppe, ein großer, junger Mann mit einem rotgoldenen Bart, erkannte Blackler und salutierte.
„Hier wird wohl viel Wert aufs Grüßen gelegt“, bemerkte ich.
„Sie und ich gehören zum Lagerstab. Wir repräsentieren den Staat und nehmen somit eine Sonderstellung ein. Das wurde allen hier schon klargemacht.“
„Ist das Schultz’ Idee?“
„Er forciert sie jedenfalls.“
Ich überlegte. Dann gab es also drei Klassen: die Kolonisten, die Rekonditionierten und wir selbst. Es war wieder der Staat, nur, daß die Kolonisten sorgfältig gezüchtet und konditioniert worden waren, womit man einen besonderen Plan verfolgte.
„Ich dachte, wir wären alle Brüder“, wandte ich ein.
„Das sind wir auch.“ Blackler sprach trocken. „Genau wie im Staate. Fragen Sie mich nicht, ob es gutgehen wird. Ich weiß das genausowenig wie Sie. Schultz bekommt seine Instruktionen direkt vom Präsidenten und vom Ministerrat. Wieviel freie Hand sie ihm lassen, weiß keiner von uns, und ich glaube nicht, daß sich irgend jemand darüber Gedanken macht. Und Sie werden klug genug sein, sich auch nicht weiter damit zu beschäftigen. Wir sind alle gesunde Enthusiasten hier.“
„Ich auch.“
„Natürlich.“
Während das Auto einer Straße folgte, die sich durch das Waldgelände schlängelte, fuhr Blackler fort: „Der Staat führt die Oberaufsicht durch das Medium Schultz. Wir bleiben uns selbst überlassen, aber Schultz wird berichten –“ Er hielt inne. „Wenn irgend etwas schief geht – aber, natürlich, wir folgen dem Menschengeist, und nichts wird schiefgehen.“
Wir hielten vor der offenen Tür eines Holzhauses. Eine Frau in einem weißen Kittel stand im Türrahmen.
Ich stieg mit steifen Gliedern aus dem Auto. „Wo sind wir hier?“ fragte ich verwirrt.
Blackler stand neben mir. „Im Lager-Hospital.“
Ich wurde wütend. „Ich kam her, um meine Pflicht zu tun, und nicht, um in ein Hospital zu gehen. Ich gehe nicht hinein!“
„Sie werden“, sagte Blackler. „Sie brauchen etwas Ruhe. Einen langen Schlaf.“ Er faßte mich beim Arm. „Seien Sie kein Narr“, flüsterte er in mein Ohr. „Sie werden beobachtet.“
Ich ging widerstrebend hinein. „Jeder“, sagte Blackler laut und fröhlich, „der neu in das Lager kommt, wird in das Hospital eingewiesen. Sie müssen für Ihre Aufgabe fit sein, das wissen Sie.“
„Ich bin fit“, zischte ich wütend.
„Natürlich“, antwortete er fröhlich. Dann flüsterte er wieder. „Es ist alles in Ordnung. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Ich selbst werde Sie behandeln. Sie brauchen nichts zu befürchten.“
VII
Ich erwachte in einem kleinen Raum des Hospitals. Das Bewußtsein kehrte langsam wieder zurück, und mir war, als hätte ich in einem tiefen Schlaf gelegen. Das erste, was ich bemerkte, war etwas großes Weißes. Als ich mich wieder völlig zurechtfand, sah ich, daß eine Schwester in einem weißen Kittel an meinem Bett stand – eine ungewöhnlich große Frau. Ihre Gesichtszüge zeigten die ausdruckslose Schönheit aller Kolonisten.
Sie kam an mein Bett zurück. Ich sah, daß sie ein offenes Feuer angezündet hatte und daß inzwischen Blackler eingetreten war. Allmählich erwachten wieder die Lebensgeister in mir, ich befühlte mein Gesicht und mußte feststellen, daß mein Bart stark gewachsen war und die ungekämmten Haare auf meiner Stirn lagen.
„Er ist erwacht“, konstatierte die Schwester. Ihre Stimme hatte einen vollen Klang.
Blackler schaute plötzlich mit einer ihm eigenen Kopfbewegung auf und sagte: „Wirklich? Danke dir, Gloria, du darfst uns jetzt allein lassen.“ Sie ging. Als sie die Tür öffnete, warf sie mir noch einen kurzen Blick zu.
Blackler betrachtete mich geraume Zeit, ohne zu sprechen. Dann ging er zur Tür, öffnete sie plötzlich und schaute hinaus.
„Der Winter kommt“, sagte er, „es wird unser letzter hier sein!“
Ich antwortete nicht. Mich beschäftigte nur die eine Frage, ob ich mich während
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