TS 24: Der galaktische General
die mathematische Analyse des
Verhaltens von Gruppen erlaubt.“
„Also …“
„Und genau diese Psychohistorik haben Seldon und seine
Leute bei der Gründung der Stiftung angewendet. Der Ort und
die Zeit der Gründung sowie die äußeren
Umstände fügen sich alle mathematisch genau und
unausweichbar zur Entwicklung eines zweiten
Universalreiches.“
Rioses Stimme zitterte vor Wut. „Sie wollen also sagen,
daß diese Kunst vorhersagt, daß ich die Stiftung
angreifen werde und diese oder jene Schlacht aus dem oder jenem
Grund verlieren werde? Sie wollen behaupten, daß ich nichts
anderes als ein willenloser Roboter bin, der einem vorbestimmten
Kurs zu seiner Zerstörung folgt.“
„Nein“, antwortete der alte Mann scharf.
„Ich habe schon gesagt, daß diese Wissenschaft nicht
das Geringste mit den Handlungen einzelner Menschen zu tun hat.
Die Vorhersage bezieht sich nur auf das große
Geschehen.“
„Dann befinden wir uns also alle in der Hand der
Göttin der geschichtlichen Notwendigkeit?“
„Der psychogeschichtlichen oder psychohistorischen Notwendigkeit“, verbesserte Barr
ihn sanft.
„Und wenn ich meinen freien Willen ausübe? Wenn ich
mich entscheide, nächstes Jahr anzugreifen, oder
überhaupt nicht angreife?“
Barr zuckte die Achseln. „Greifen Sie jetzt an oder
überhaupt nicht, mit einem einzigen Schiff oder der ganzen
Flotte des Imperiums. Führen Sie Ihren Krieg mit
militärischen oder wirtschaftlichen Machtmitteln,
erklären Sie offen den Krieg oder überfallen Sie aus
dem Hinterhalt. Tun Sie, was Sie wollen und was Ihnen Ihr
Verstand rät. Sie werden immer unterliegen.“
„Gegen die tote Hand Hari Seldons?“
„Gegen die tote Hand der Mathematik des menschlichen
Verhaltens, die durch nichts von ihrer Bahn abgebracht werden
kann.“
Die beiden Männer sahen sich schweigend an.
Schließlich trat der General einen Schritt zurück.
„Ich nehme die Herausforderung an: Eine tote Hand gegen
einen lebenden Willen! Wir werden sehen, wer Sieger
bleibt.“
3
CLEON II … genannt der Große. Dieser letzte
große Kaiser des ersten Imperiums ist besonders wegen der
politischen und künstlerischen Renaissance, die während
seiner langen Regierungsperiode stattfand, von Interesse. In der
allgemeinen Überlieferung ist er jedoch hauptsächlich
wegen seiner Verbindung mit Bel Riose bekannt und ist daher
für den historisch weniger Gebildeten einfach ‚Rioses
Kaiser’ …
ENCYCLOPAEDIA GALACTICA
Cleon II war Herr des Universums. Cleon II litt auch unter
einer schmerzhaften und unbekannten und daher unheilbaren
Krankheit. Bei den seltsamen Wegen, die die menschliche
Geschichte manchmal geht, sind diese beiden Feststellungen
durchaus nicht voneinander unabhängig. Eis gibt eine
ermüdend große Zahl von Präzedenzfällen
dafür.
Aber Cleon II waren solche Präzedenzfälle
gleichgültig. Es linderte sein Leiden nicht, wenn er an die
vielen ähnlichen Leiden seiner Vorgänger im Amt dachte.
Es beruhigte ihn nur ein wenig, wenn er daran dachte, daß
sein Großvater Herrscher eines kleinen Planeten gewesen
war, während er selbst in dem Lustschloß von Ammenetik
demGroßen schlief, Erbe einer Dynastie galaktischer
Herrscher, die bis in die mystische Vergangenheit
zurückreichte. Im Augenblick allerdings dachte er nicht
daran, daß es den Bemühungen seines Vaters zu danken
war, daß das Reich vom Pesthauch der Rebellion befreit
worden war und sich so wieder des Friedens und der Einheit
erfreuen konnte, die es unter Stannel VI genossen hatte, und
daß demzufolge in den fünfundzwanzig Jahren seiner
Regierung keine inneren Unruhen seinen Ruhm getrübt
hatten.
Der Kaiser der Milchstraße und Herr des Universums
wimmerte leise, als er den Kopf auf sein Kissen zurücklegte.
Cleon II ruhte ein wenig, dann richtete er sich mühsam
wieder auf und blickte in die Runde. Er war allein.
Aber es war besser, während dieser Anfälle allein zu
sein, als die Neugierde der Höflinge zu ertragen, ihre
geheuchelte Sympathie und ihre herablassende Langeweile. Besser
allein sein, als diese ausdruckslosen Masken zu sehen, hinter
denen eifrig spekuliert wurde, welche Aussichten ihre Besitzer
nach seinem Tode hatten.
Seine Gedanken wanderten. Er hatte drei Söhne –
drei junge Männer, die voll Kraft und Energie steckten. Was
mochten sie wohl machen? Wahrscheinlich warteten sie auch auf
seinen Tod und behielten sich gegenseitig scharf
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