TS 26: Der Mutant
wirklich nicht, daß es ihm etwas ausmacht. Irgend etwas stimmt hier nicht. Es ist das gleiche furchtbare Gefühl, das ich in der Zeitgruft hatte, als Seldon uns verließ. Du hast es selbst auch gehabt.“
„Ja.“
„Nun, jetzt ist es wieder da“, fuhr sie erregt fort. „Und wir werden den Mutanten nie aufhalten können. Selbst wenn wir die Schiffe und die Waffen dazu hätten, uns fehlt es einfach am Willen, am Mut – Torie, es hat keinen Sinn, weiterzukämpfen.“
Bayta hatte nie geweint, solange Toran sie kannte, doch jetzt weinte sie. Toran legte ihr die Hand auf die Schulter und flüsterte beschwichtigend: „Beruhige dich, Kind. Ich weiß schon, was du meinst. Aber es gibt nichts – “
„Ja, es gibt nichts, was wir tun könnten. Das sagt jeder – und wir sitzen nur da und warten, bis es zu spät ist.“
Den Rest des Abendessens verzehrten sie schweigend.
*
Randu hatte als neuernannter Koordinator von Haven – eine aus der Notwendigkeit des Krieges entstandene Position – auf eigenen Wunsch ein Amtszimmer bekommen, aus dessen Fenster er über die Dächer und Türme der Stadt hinausblicken konnte. Jetzt, da die Lichter der Höhle langsam schwächer wurden, verschwammen ihre Konturen im Schatten.
Randu blickte Ebling Mis an, dessen helle kleine Äuglein nur an dem Weinglas, das er in der Hand hielt, interessiert zu sein schienen. „Es gibt ein Sprichwort in Haven, daß es für die rechtschaffenen Leute Zeit ist, schlafen zu gehen, wenn die Höhlenlichter verlöschen.“
„Haben Sie in letzter Zeit viel geschlafen?“
„Nein! Es tut mir leid, daß ich Sie so spät rufen mußte, Mis. Ich arbeite seit einiger Zeit lieber nachts. Die Leute in Haven haben es sich angewöhnt, dann zu schlafen, wenn die Lichter verlöschen, obgleich das hier keinen praktischen Sinn hat, wie auf anderen Planeten. Ich hatte es mir auch angewöhnt, aber jetzt ist es anders – “
„Sie verstecken sich“, sagte Mis. „Sie wollen nur nicht unter den Augen der Leute arbeiten, und nachts sind Sie frei – “
„Sie spüren es also auch? Dieses furchtbare Gefühl der Niedergeschlagenheit, das Gefühl, besiegt zu sein?“
Ebling Mis nickte bedächtig. „Ja. Es ist eine Massenpsychose. Ewige Galaxis, Randu, was erwarten Sie denn? Sie haben hier eineganze Zivilisation, die in dem Glauben erzogen wurde, daß ein legendärer Volksheld, der in der Vergangenheit alles vorausgeplant hat, die verdammte Pflicht und Schuldigkeit hat, sich um das Wohlergehen jedes einzelnen zu kümmern.“
Randu kaute nachdenklich an einem Daumennagel. „Sie wollen also sagen, daß unsere ganze psychologische Stütze in dem Augenblick unter uns zusammengebrochen ist, als Seldon uns verließ, und daß unsere Muskeln durch das blinde Vertrauen auf ihn so geschwächt sind, daß wir nicht mehr auf eigenen Beinen stehen können. Und da sollte es keinen Ausweg geben?“
„Den sollte es schon geben, wenn auch ich keinen kenne. Vielleicht hat Seldon wirklich keine Vorkehrungen für den Mutanten getroffen, vielleicht garantiert er wirklich nicht für unseren Sieg. Aber schließlich heißt das ja auch nicht, daß er für unsere Niederlage garantiert. Er hat uns nur allein gelassen, und wir müssen jetzt auf eigene Faust handeln. Der Mutant kann besiegt werden.“
„Wie?“
„Auf die einzige Art, mit der man irgend jemand besiegen kann – indem man ihn dort angreift, wo er schwach ist. Sehen Sie, Randu, der Mutant ist kein Übermensch. Wenn er einmal besiegt sein wird, wird das jedermann selbst sehen. Er ist nur ein Unbekannter, und Legenden entstehen schnell. Man nennt ihn ,den Mutanten’, und ein Mutant ist für den Mann auf der Straße ein Übermensch. Dem ist aber nicht so.
Man hat errechnet, daß jeden Tag in der Galaxis ein paar Millionen Mutanten zur Welt kommen. Diese paar Millionen können bis auf ein oder zwei Prozent nur mit Hilfe eines Mikroskopes und chemischer Reagenzien entdeckt werden. Diese ein oder zwei Prozent Makromutanten, das heißt also solche, deren Mutation mit bloßem Auge feststellbar ist, sind wieder bis auf ein oder zwei Prozent Launen der Natur, die in Varietes passen. Von den paar Makromutanten, deren Mutation positiv ist, sind fast alle harmlose Kuriositäten, die nur in einer bestimmten Eigenschaft ungewöhnlich sind, in allen anderen aber normal und meist sogar unternormal. Ist Ihnen das klar, Randu?“
„Ja, aber was ist mit unserem Mutanten?“
„Vorausgesetzt, daß er seinen Namen mit Recht
Weitere Kostenlose Bücher