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TS 34: Sie starben auf Ragnarok

TS 34: Sie starben auf Ragnarok

Titel: TS 34: Sie starben auf Ragnarok Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Godwin
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Vergangenheit auftauchen. Sie saß neben ihm im Zwielicht eines Sommerabends und sprach zu ihm: Denke daran, Billy, und an diesen Abend und an das, was ich zu dir sagte … lehre sie kämpfen und sich vor nichts fürchten … lasse sie niemals vergessen, auf welche Weise sie nach Ragnarok kamen … Sie schien ihm so nahe und wirklich, und seine Zweifel fielen von ihm ab. Wohl waren die Menschen von Ragnarok im Augenblick nur pelzgekleidete Jäger, die in Höhlen hausten, aber im Laufe der Zeit würden sie sich entwickeln können und an Zahl größer werden. Jede Generation wird stärker sein als die vorhergehende, und er, Bill, hatte etwas in Bewegung gebracht, das einer zukünftigen Generation die Gelegenheit geben würde, ihre Freiheit zu erkämpfen.
     
    *
     
    Es war im Winter des fünfundachtzigsten Jahres auf Ragnarok, und die Temperatur betrug fast 77° unter Null. Walter Humbolt stand vor dem Eistunnel, der zu den Höhlen führte und blickte hinauf zum Himmel.
    Es war Mittag, aber keine Sonne schien. Vor vielen Wochen war sie unter dem südlichen Horizont verschwunden. Für kurze Zeit hatte noch täglich ein verschwommener Kreis ihren Stand angezeigt, doch dann war auch dieses Merkmal verschwunden. Aber jetzt war die Zeit gekommen, in der dieser verschwommene Kreis wieder erscheinen und damit die Rückkehr der Sonne anzeigen mußte.
    Die Luft war von Frost erfüllt, der die Sterne am Himmel flimmern machte. Walter Humbolt drehte sich um und blickte nach Norden.
    Dort bildeten die Nordlichter einen gigantischen Vorhang, der ein Drittel des Himmels ausfüllte und in den verschiedensten Farben leuchtete.
    Drei Jahre lang war die Eisdecke vor den Höhlen immer dicker geworden, die südliche Front des Plateaus war zehn Jahre lang unter Schnee begraben gewesen.
    Die südliche Tiefebene war eine eisige, leblose Weite. Wieder blickte Walter Humbolt nach Süden, wo sich der verschwommene Kreis abzeichnen sollte, und dachte: Sie sollten jetzt da drinnen endlich ihren Entschluß gefaßt haben. Wohl bin ich ihr Führer, aber ich kann sie nicht zwingen, gegen ihren Willen hierzubleiben. Ich könnte sie nur bitten, sich zu überlegen, was es bedeuten wird, wenn wir diesen Ort hier verlassen.
    Der Schnee knirschte unter seinen Füßen, als er unruhig hin und her ging. Da sah er etwas unter dem blanken Eis liegen. Es war ein Pfeil, den irgend jemand verloren hatte. Walter hob ihn vorsichtig auf, da die intensive Kälte den Schaft so spröde wie Glas hatte werden lassen. Der Pfeil würde seine normale Elastizität wiedergewinnen, wenn man ihn hinein in die Höhlen nahm.
    Schritte hallten, Fred Schroeder kam aus dem Eistunnel. Er blickte nach Süden und wandte sich an Walter: „Es scheint dort ein wenig heller zu werden.“
    Er hatte wirklich recht; ein kleiner, schwacher Schimmer am schwarzen Himmel.
    „Sie diskutierten über alles, was wir beide ihnen gesagt haben“, begann Schroeder. „Und auch darüber, wie wir gekämpft haben, um solange hier auszuhalten, daß aber, selbst wenn die Sonne in diesem Jahr ihr ständiges, scheinbares Südwärtswandern stoppte, es trotzdem noch Jahre mit Eis und Kälte gibt, bevor der Große Frühling kommt.“
    „Wenn wir die Höhlen aufgeben, werden sie sich mit Eis füllen“, antwortete Walter. „Alles, was wir jemals besessen haben, wird dort begraben werden. Wir werden den Weg zurück in das Steinzeitalter antreten, das gilt für uns, unsere Kinder und Kindeskinder.“
    „Das wissen sie“, gab Schroeder zurück. „Wir beide haben es ihnen ja klargemacht, und wir taten unrecht daran, an ihrer Entschlossenheit zu zweifeln.“
    Er hielt inne. Die beiden Männer beobachteten, wie sich der Himmel nach Süden hin aufhellte. Mit weißgefrorenen Gesichtern gingen sie in die Höhlen zurück.
    „Sie haben ihre Entscheidung einstimmig gefällt“, fuhr Schroeder fort. „Wir werden hierbleiben, solange es möglich für uns ist, zu überleben.“
     
    *
     
    Der Junge Howard Lake lauschte andächtig den Worten Morgan Wests, des Lehrers. Dieser las aus dem Tagebuch Walter Humbolts, das er während des schrecklichen Winters vor fünfunddreißig Jahren geschrieben hatte: Jeden Morgen wurde der Lichtschimmer in Süden größer und heller. Am siebenten Morgen sahen wir die Sonne!
    Es wird Jahre dauern, bevor das Eis vor unseren Höhlen schmilzt, aber wir haben den tödlichen Tiefpunkt des Großen Winters erreicht und überstanden. Und der einzige Weg, den es jetzt für uns gibt, ist der Weg

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