TS 49: Der Weltraumarzt
nachzuweisen! Er kam zu dem Punkt, wo wir ihn gefunden haben, noch immer in einem solchen Kräftezustand, daß er wenigstens essen konnte! Er hat auch gegessen, und er blieb dort, wo es gute und reichliche Nahrung gab, und seine Verdauung war einwandfrei, und dennoch ist er verhungert. Warum? Ich frage dich: warum?“
Murgatroyd wand sich unglücklich hin und her, denn Calhouns Stimme klang anklagend. Er wimmerte in kläglichem Ton: „Tschie, tschie!“ und schaute Calhoun flehend an.
„Ich bin nicht böse auf dich“, erklärte ihm Calhoun, „aber verdammt noch mal …“
Er packte den Laborkasten wieder in die Schultertraglast, die außerdem einen auf etwa anderthalb Wochen bemessenen Proviantvorrat für Mann und Tormal enthielt.
„Komm weiter!“ sagte er mit bitterer Stimme und setzte seinen Marsch in Richtung auf die Stadt fort.
Zehn Minuten später machte er wieder halt. „Was ich vorhin gesagt habe, ist unsinnig und unmöglich. Dennochist es geschehen, aber es muß etwas anderes gewesen sein als das, was ich gesagt habe. Also kann nur meine Formulierung falsch gewesen sein. Er konnte essen, denn das hat er getan. Er hat tatsächlich gegessen, das beweisen unter anderem die Reste von den Maiskolben. Er hat die Körner verdaut. Warum ist er also verhungert? Hat er aufgehört zu essen?“
„Tschie!“ meinte Murgatroyd im Ton ehrlicher Überzeugung.
Calhoun grunzte und setzte sich wieder in Bewegung. Der Mann war nicht an einer Krankheit gestorben, zumindest nicht direkt. Die Gewebsanalyse lieferte Befunde, die das Versagen eines einzelnen Organs als Todesursache ausschlössen. Hatte der Organismus in seiner Gesamtheit – der Mensch als solcher – es nicht mehr fertiggebracht, das zur Fortsetzung des Lebens Notwendige zu tun? Hatte er einfach aufgehört zu essen?
Calhouns Gehirn spielte mißtrauisch mit dieser unwahrscheinlichen Idee. Der Mann war in der Lage gewesen, sich zu ernähren, und er hatte es auch getan. War ihm irgend etwas zugestoßen, das ihm die weitere Nahrungsaufnahme unmöglich machte?
„Er war ein Stadtmensch, da gibt es keinen Zweifel“, knurrte Calhoun, „und wir haben ihn an einer Stelle gefunden, die von der Stadt verdammt weit entfernt ist. Was hat er überhaupt hier draußen zu suchen gehabt?“
Er verhielt zögernd den Schritt. Wenn man an irgendeiner gottverlassenen Stelle einen verhungerten Stadtbewohner fand, so konnte dieser Mann sich vielleicht auf irgendeine Weise verirrt haben. Verirrt, ja, das war möglich, aber von einem Nahrungsmangel konnte trotzdem keine Rede sein.
„Er gehört in die Stadt, und er hat die Stadt verlassen“, brummte Calhoun in ärgerlicher Verwirrung. „Die Stadt ist leer, aber nicht ganz leer. Dort befinden sich unsere geschätzten Herren Möchtegern-Mörder. Das hier ist eine neue Kolonie. Eine Stadt mußte gebaut werden, Felder waren, zu pflügen und zu bepflanzen, und dann sollte die Bevölkerung von Dettra II nach hier geschickt werden. Die Stadt steht fertig da, die Felder sind reif zur Ernte. Wo bleibt die Bevölkerung?“
Er blickte mit nachdenklich gerunzelter Stirn zu Boden. Murgatroyd versuchte ebenfalls, ernst und nachdenklich auszusehen, aber es gelang ihm nicht besonders gut.
„Was ist des Rätsels Lösung, Murgatroyd? Hat der Mann die Stadt verlassen, weil er krank war? Hat man ihn ausgestoßen, vertrieben?“
„Tschie“, meinte Murgatroyd zweifelnd.
„Ich weiß es auch nicht“, gab Calhoun zu. „Er ging aus der Stadt hinaus, kam bis zur Mitte dieses Maisfeldes und ging dann nicht mehr weiter. Er war hungrig, aß, verdaute, blieb tagelang hier. Warum? Hat er etwa erwartet, an irgend etwas zu sterben? Jedenfalls hatte er die Nahrungsaufnahme eingestellt. Dann ist er gestorben. Was hat ihn dazu veranlaßt, aus der Stadt wegzugehen? Was war der Grund dafür, daß er aufhörte zu essen? Was war die Todesursache?“
Murgatroyd untersuchte ein niedriges buschiges Gewächs, registrierte es als uninteressant und kam zu Calhoun zurück.
„Man hat ihn nicht getötet“, sagte Calhoun, „aber irgend jemand, der sich jetzt in der Stadt befindet, hat uns zu töten versucht. Man könnte sich denken, daß der Mann deshalb hier herausgekommen ist, weil er damit rechnete, sonst von den gleichen Leuten ermordet zu werden. Er ist aber trotzdem gestorben. Warum wollten sie ihn umbringen? Warum wollten sie auch uns aus dem Weg räumen? Etwa deshalb, weil wir vom Gesundheitsdienst sind? Weil sie verhindern wollten, daß der
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