TS 60: Gehirnwäsche
ihm seine Spur verraten.
Vor Erschöpfung zitternd stützte Vye den Arm auf den Felsbrocken und entsicherte den Strahler. Höchstens zwei Meter von ihm entfernt lag jetzt die täuschend offene Felsspalte der ,Pforte’. Wenn er sich dagegen warf, würde die Spannung in dem unsichtbaren Vorhang ihn dann in die Klauen seines Feindes zurückwerfen?
Er feuerte seine Waffe auf den Kopf der unverletzten Bestie ab. Sie kreischte, warf die Arme hoch, und eine ihrer Klauen traf den verwundeten Artgenossen. Dieser warf sich mit einem Schrei auf den vermeintlichen Feind, und ein Kampf von unbeschreiblicher Wildheit hob an. Vye schob sich an der Klippe entlang, mit dem einen Ziel, die Höhle und Hume zu erreichen. Die beiden blauen Bestien schienen vollauf damit beschäftigt, sich gegenseitig den Garaus zu machen.
Das Tier aus dem Wald war erledigt, die Fänge des anderen hatten seine Kehle aufgerissen. Der Sieger knurrte triumphierend und hob dann den Kopf, um nach Vye Ausschau zu halten.
Auf die Geschwindigkeit dieses plötzlichen Angriffes war er nicht gefaßt gewesen. Bis jetzt hatten diese Tiere immer nur den Eindruck brutaler Stärke, nicht aber den der Behendigkeit erweckt. Der Irrtum hätte ihm beinahe das Leben gekostet. Er machte einen Satz nach rückwärts, wußte, daß er dem Angriff entgehen mußte, da die Aussichten in einem Nahkampf mit der Bestie für ihn gleich Null waren.
Den Bruchteil einer Sekunde lang empfand er ein Gefühl der Benommenheit, das Empfinden, als stürzte er haltlos durch einen Raum, in dem andere Gesetze galten als in seiner gewohnten Umgebung. Dann rollte er über felsigen Grund – außerhalb des Vorhangs, der ihm bisher den Austritt verwehrt hatte.
Er setzte sich auf, das Nachklingen dieses seltsamen Gefühls machte ihn schwindlig. Wie durch einen Nebel sah er, wie die blaue Bestie zum Stehen kam. Sie wandte sich wimmernd um, aber noch ehe sie den Waldrand erreicht hatte, sackte sie in die Knie, fiel mit dem Gesicht nach vorne und blieb liegen, eine Vernichtungsmaschine, in der der Funken des Lebens erloschen war.
Vye versuchte zu verstehen, was geschehen war. Er war irgendwie durch jene Barriere gebrochen, die das Tal zu einem Gefängnis machte. Einen Augenblick beschäftigte ihn kein anderer Gedanke als der an seine Freiheit. Dann blickte er besorgt den Weg ins Freie entlang, wartete darauf, daß die Leuchtkugeln oder jene Tiere aus dem Flachland auftauchten, die für sie als Herdentreiber dienten. Aber nichts von alledem.
Freiheit! Er richtete sich mühsam auf. Frei! Er schob Humes Strahler in den Gürtel. Hume war noch in dem Tal!
Vye fuhr sich mit zitternden Fingern über die Stirne. Durch die Barriere und frei – aber Hume war immer noch dort drinnen, waffenlos, jedem Tier eine Beute, das ihn aufspürte. Krank, ohne Wasser und ohne Schutz war er ein toter Mann, selbst solange sein Herz noch schlug.
Mit einer Hand auf die Felswand gestützt, fing Vye an zu gehen, nicht auf das ferne Flachland zu, sondern zurück in das Tal, getrieben von seinem Willen allein und ohne auf die versucherische Stimme in seinem Inneren zu hören, die ihm von diesem selbstmörderischen Wahnsinn abriet. Als er die beiden Felsriesen erreichte, zwischen denen der Vorhang sich gespannt hatte, tastete er vorsichtig danach. Da war kein Hindernis – der Vorhang war verschwunden. Er mußte zu Hume zurück.
Immer noch auf die Wand gestützt, taumelte Vye durch die ,Pforte’ – war wieder im Tal. Er stand auf schwankenden Füßen da und lauschte. Aber wieder war Schweigen, nicht einmal der Wind strich durch die Bäume oder Büsche. Einen Fuß vorsichtig vor den anderen setzend nahm er Richtung auf Humes Höhle. Die Benommenheit, die seine Sinne seit jenem ersten Erwachen umnebelt hatte, war verschwunden. Abgesehen von der rein physischen Müdigkeit, die wie ein Gewicht auf ihm lastete, fühlte er sich wieder vollkommen Herr seiner selbst.
Im Eingang der Höhle mühte Hume sich mit seinen Fesseln ab. Er hatte die Bande abgestreift, die Vye um seine Beine gelegt hatte, aber seine Handgelenke waren immer noch gebunden. Sein verschmiertes, schweißbedecktes Gesicht war der Sonne zugewandt, aber seinen Augen konnte man ansehen, daß er wieder klar zu denken vermochte.
Vye brachte die Kraft auf, die paar Schritte zu laufen, die sie noch trennten. Er fummelte an Humes Handfesseln herum, während er atemlos die große Neuigkeit herausprustete. Die Barriere war verschwunden – sie konnten gehen.
Dann hob er
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