TS 62: Das Rätsel der Venus
erwischt.“
Sie hatte ihn nicht verstanden und schrie immer noch: „Ich will hier ‘raus!“ Virginia zog sie sanft von ihm weg.
„Sie sagten etwas vom Norman-Wald. Wissen Sie, wo wir uns befinden?“
„Das ist nur eine Vermutung“, erklärte er, „aber ich glaube schon. Und wenn meine Annahme stimmt, dann weiß ich es sogar ziemlich genau.“
„Wieso?“
„Wir liegen hier auf einem leichten Abhang auf weichem Boden. Beim Aufprall trafen wir aber zuerst auf Felsen, und wenn wir gerade heruntergekommen sind, sind wir gerade am Wald vorbeigeflogen. Somit müssen wir uns irgendwo auf einem schmalen Gürtel befinden, der zwanzig bis höchstens dreißig Meilen von City Four entfernt ist – Cefor, wie die Abkürzung lautet.“
„Und wie sind unsere Aussichten?“
Er sah die anderen an. die jetzt schweigend und wie gebannt an seinen Lippen hingen – selbst das Glamourgirl und Mrs. Martin, die von ihrem Mann in ein Jackett gehüllt worden war.
„Unsere Aussichten sind jetzt besser als während des Absturzes“, sagte er langsam und jedes Wort betonend. „Aber um das zu beweisen, brauchte man einen Rechenschieber und eine Menge Papier.“
Einen Augenblick herrschte Schweigen, während sie versuchten, hinter den Sinn des Gesagten zu kommen. Dann warf sich das Glamourgirl kreischend und schreiend auf ihn und versuchte, ihm das Gesicht zu zerkratzen, als wäre er persönlich für ihre Lage verantwortlich.
Virginia griff nach seinem Arm, während er – nicht besonders sanft – versuchte, das Mädchen abzuwehren und zog ihn weg. „Gehen wir und sehen wir nach“, sagte sie. Er grinste. Mochte die Meinung, die sie von ihm hatte, auch zusehends schlechter werden, er war immerhin der einzige, mit dem sie vernünftig sprechen konnte. Die Sicherheit aller hing von ihm und ihr ab.
Sie führte ihn in die Beobachtungskanzel zurück.
„So schlimm wie Sie es darstellen, kann es doch nicht sein“, sagte sie.
„Warum nicht?“
„Sie müssen unseren Absturz doch gesehen haben. Man wird doch nach uns suchen. Oder, wenn nicht, sollte doch einer von uns durchkommen, wenn es nur zwanzig Meilen sind.“
„Wenn Sie meinen, daß es mir Spaß macht, pessimistisch zu sein …“, sagte er und brach dann ab. „Fangen wir doch ganz von vorne an. Der Kapitän könnte jedes Wort bestätigen, wenn er noch lebte. Erstens: man kann uns in Cefor nicht gesehen haben. Wir haben die Stadt nicht überflogen. Und Radar funktioniert in dieser Waschküche genausowenig wie unter Wasser.
Zweitens: unser Ziel war Neu-Paris auf der anderen Hemisphäre der Venus, und wenn man nach etwa vierundzwanzig Stunden anfängt, uns zu vermissen, wird die Suche sich zunächst auf jene Region konzentrieren. Ich schätze, daß es etwa sechs Monate dauern wird, bis sie dieses Schiff finden. Schließlich müssen sie jeden Fußbreit Boden absuchen. Ein Hubschrauber müßte sich auf Steinwurfweite befinden, um uns zu sehen.“
Das Mädchen sah ihn aus aufgerissenen Augen an. „Aber bei jeder Notlandung werden doch die Passagiere geborgen, ehe sie in Gefahr sind – selbst wenn das Schiff ein Leck hat und sie die giftige Atmosphäre einatmen müssen. Ich dachte immer, die einzige Gefahr wäre die, bei der Landung zu Schaden zu kommen.“
„Ja“, sagte Warren leise. „Gewöhnlich schon. Aber gewöhnlich geht auch das Radio nicht vorher zu Bruch – vor dem Schiff, meine ich. Das ist aber bei unserem der Fall. Folglich weiß niemand, wo wir sind.“
„Oh, jetzt verstehe ich. Aber wir können doch nicht sechs Monate warten. Soviel Vorräte haben wir doch gar nicht an Bord.“
Er nickte. „Stimmt.“
Sie zuckte die Achseln. „Nun, dann müssen wir uns eben nach Cefor auf den Weg machen.“
„Ich nicht. Wenn ich sterben muß, dann hier.“
Sie sah ihn verständnislos an. „Ich verstehe Sie nicht. Ich dachte immer, Sie wären ein Held. Sie haben doch schon viel gefährlichere Dinge gemacht als diesen Treck nach Cefor. Sie haben doch sogar Auszeichnungen dafür bekommen.“
Er lächelte düster. „Nein, Sie verstehen das nicht. Ich sagte Ihnen schon, daß ich kein Held bin. Vor dem Krieg war ich ein Niemand. Ich habe alles mögliche versucht – aber immer ohne Erfolg. Sogar mit der Verbrecherlaufbahn habe ich es versucht – aber auch da bin ich nicht weitergekommen. Als der Krieg begann, sagte ich mir: ,das ist deine letzte Chance’. In Friedenszeiten hatte ich keine andere Aussicht. als entweder zu verhungern oder im Gefängnis alt zu
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