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TS 64: Bluff der Jahrtausende

TS 64: Bluff der Jahrtausende

Titel: TS 64: Bluff der Jahrtausende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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einer halben Ewigkeit mit unserem halben Triebwerk unterwegs und hätten gerne gewußt, wie weit wir am Ziel vorbei sind.“
    „Wohin wollten Sie denn?“
    „Wohin?“ rief Chet. „Ist das eine Frage? Zur Erde natürlich!“
    Or-do lächelte immer noch.
    „Da sind Sie ziemlich weit ab“, gab er zu. „Eine Reihe von Parsec.“
    Chet stöhnte.
    „So weit …! Und Sie kreuzen hier herum?“
    „Ja. Wir sind auf SUNRISE zu Hause.“
    „Das haben Sie schon einmal gesagt. Wo liegt denn SUNRISE?“
    „Ich fürchte, ich bin nicht befugt, Ihnen darüber Auskunft zu geben“, antwortete Or-do.
    „Warum nicht?“
    Chet machte genau das Was-ist-denn-los-zum-Donnerwetter-Gesicht, das Or-do von ihm zu sehen erwartete. Denn Or-do hatte sich nach den bisherigen Auskünften schon ein Bild vom Schicksal der HARPOONE gemacht.
    C-122 hatte inzwischen fast alle Fahrt aufgehoben und schwebte bewegungslos in etwa fünfhundert Kilometern Abstand von der HARPOONE.
    „Gestatten Sie mir eine Frage noch!“ bat Or-do und fuhr gleich fort: „Welche Bordzeit haben Sie jetzt?“
    Chet winkte ab.
    „Wir wissen schon, daß unsere mit der Ihren nicht übereinstimmt. Schließlich sind wir ja achthundert Lichtjahre weit relativistisch geflogen. – Bei uns ist jetzt der 29. Juni 2998. Und welche Zeit haben Sie?“
    „Juni?“ fragte Or-do überrascht. „Was ist Juni?“
    Chet wandte sich um und sagte ostentativ zu Warren Foley, der schräg hinter ihm saß, den Or-do aber nicht sehen konnte:
    „Es sieht so aus, als wäre wirklich eine Menge Zeit vergangen. Der Mann weiß nicht einmal mehr, was Juni ist.“ Und zu Or-do gewandt, fuhr er fort: „Juni ist der sechste Monat im Jahr. Ich hoffe, Sie haben noch nicht vergessen, was ein Jahr ist.“
    Or-do nahm den Spott nicht zur Kenntnis.
    „O ja, das weiß ich. Wir haben heute 30-09-3962.“
    „Allgemeine Zeit?“
    „Ja.“
    Chet nickte verdrossen.
    „Dann glaube ich, daß die Menschheit mittlerweile vergessen hat, was Juni ist. – Tausend Jahre! Herr meines Lebens!“
    Or-do wurde gestört. Wahrscheinlich kam die Ordonnanz zurück, die er wegen der Vier Kuhschwänze weggeschickt hatte. Chet sah, wie sein Gesicht ernst wurde.
    „Sagten Sie nicht, Sie seien achthundert Lichtjahre relativistisch geflogen?“
    „Genau.“
    „Wie bitte?“
    „Ich sagte: Genau. Oder auch: Ja.“
    „Aha. oJ/hv-3321 liegt aber fünfunddreißigtausend Lichtjahre von hier entfernt.“
    „Na und?“
    „Wie bitte?“
    „Ich meine: Was geht mich das an?“
    „Nach Ihren Angaben sind die Vier Kuhschwänze und oJ/hv-3321 identisch. Sie behaupten, Sie kommen von dort und …“
    Chet beugte sich nach vorn.
    „Hören Sie zu!“ knurrte er. „Ich bin Ihnen zwar sehr dankbar, daß Sie uns zu Hilfe gekommen sind. Aber wenn Sie meinen, Sie müßten uns wie die ertappten Diebe verhören, dann drehen Sie wieder ab und lassen uns weiterfahren. Wir finden bestimmt noch eine Gegend, wo die Leute höflicher sind. – Niemand hat bisher gesagt, wir wären den ganzen Weg von den Kuhschwänzen bis hierher mit halbem Antrieb geflogen!“
    „So?“ machte Or-do.
    „Nein, niemand!“ schnaubte Chet weiter. „Wir können – oder vielmehr konnten – mit unserem Schiff nur Transitionen bis zu tausend Lichtjahren machen. Wir machten eine Reihe davon, dann fiel der Umkehrfeld-Generator aus. Den Rest machten wir relativistisch. Nach dem Energieverbrauch zu urteilen, muß es eine Strecke von achthundert Lichtjahren gewesen sein.
    Und jetzt lassen Sie uns gefälligst in Ruhe. Wir wollen lieber …“
    Or-do hob beschwichtigend die Hand.
    „Einen Augenblick, bitte!“ unterbrach er Chet. „Sie dürfen mich nicht falsch verstehen. Seit Ihrer Zeit hat sich eine Menge geändert – politisch, meine ich. SUNRISE ist ein autoritäres Staatsgebilde und muß sich gegen Neugierde anderer Staaten sichern. Das Betreten von SUNRISE ist für Ausländer nur mit einem Besucher-Visum möglich. Deswegen versuchen fremde Spionagedienste ihre Agenten auf allen möglichen Wegen einzuschmuggeln. Es könnte ja sein, daß Sie in Wirklichkeit gar kein Überbleibsel aus dem dritten Jahrtausend sind, nicht wahr?“
    „Na, hören Sie mal!“ protestierte Chet, scheinbar verwirrt.
    Or-do nickte.
    „Wenn Ihre Angaben richtig sind, werden Sie auf SUNRISE soviel Gastfreundschaft und Hilfe finden, wie Sie wünschen. Aber eine vorherige Untersuchung muß aus Gründen der Sicherheit sein. – Wollen Sie sich unter diesen Umständen von mir nach SUNRISE

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