TS 64: Bluff der Jahrtausende
Stunde lang mit Höchstleistung arbeiten, so daß jeder, der die Sache untersuchte, zu dem Schluß kommen mußte, das relativistische Triebwerk habe ziemlich lange Zeit normal gearbeitet.
Sie unterhielten sich bei der Arbeit über belanglose Dinge und gaben sich Mühe, altmodische Worte in die Unterhaltung einzuflechten. Die Mühe, die sie sich gaben, unterstützte die Fähigkeit, die ihnen vor dem Start ohnehin schon eingegeben worden war. Ohne Zweifel würde selbst ein Sprachwissenschaftler nicht ohne Gehirnwäsche Stufe 1 herausfinden können, daß sie nicht aus dem Jahrhundert stammten, aus dem sie zu stammen vorgeben wollten.
Dann, als sie die Hoffnung hatten, daß das altmodischere von ihren beiden Hochleistungs-Funkgeräten bis nach ALGENIB XIl oder wenigstens einem Vorposten des Systems durchdringen könne, begannen sie zu funken.
Das moderne Gerät nahmen sie auseinander und setzten es nach Anweisung wieder zusammen, so daß es nun aussah wie ein Hyperfunkempfänger der Art, wie er auch vor fünfzehnhundert Jahren schon in Gebrauch gewesen war.
Denn die Idee, wie am leichtesten an ALGENIB XIl heranzukommen sei, stammte nicht von Chet Farren; sie kam vom psychologischen Stab des SIS, und die HARPOONE war so zurechtgemacht, daß sie mit einem Minimum an Aufwand von seiten der Besatzung vor den prüfenden Augen der Algenib-Patrouillen bestehen könnte.
Chet Farren funkte den Koderuf 001-001-001, der das SOS der modernen Raumschiffahrt war – oder vielmehr gewesen war; denn er stammte aus einer Zeit, in der die Elektronik-Automaten, die solche Rufe für gewöhnlich entgegennahmen, noch mit dem Dualsystem arbeiteten, einem System also, in dem es nur die beiden Ziffern 0 und 1 gab.
Dann begannen sie zu warten. 2000 astronomische Einheiten waren eine Riesenentfernung für ein Schiff, das sich, wenn auch mit hoher, so doch schon unrelativistischer und zumal stetig sinkender Geschwindigkeit bewegte.
Bevor die Leute von ALGENIB XIl den Ruf auffingen und antworteten, beziehungsweise: bevor sie sich bewogen fühlten, der HARPOONE entgegenzukommen, war mit wichtigen Ereignissen nicht zu rechnen.
*
Captain Or-do auf dem kleinen Patrouillenkreuzer C-122 bekam den Funkspruch von der Funkautomatik geradewegs auf sein Kontrollpult geliefert.
Er starrte die drei Zifferngruppen an und wußte nichts mit ihnen anzufangen. Die Ortungsdaten besagten ihm mehr: r-988,3 – theta – 28,7 – phi – 136,0. V = – 3x10 7 m/sec, Tendenz sinkend.
Captain Or-do kannte seine Aufgaben in diesem Fall, obwohl er den wichtigsten Teil der Botschaft nicht verstand. Die Informationskarte der Automatik trug den Hinweis UNREGISTRIERTER FLUG, und unregistrierte Flüge waren im Algenib-Sektor verboten.
Or-do verlangte und bekam eine Schnellverbindung mit SUNRISE I, dem Befehlsposten auf der Umlaufbahn um SUNRISE, wie ALGENIB XIl von seinen Bewohnern genannt wurde.
Or-do schilderte den Vorfall, sobald das Gesicht seines Vorgesetzten auf dem Bildschirm auftauchte.
„001-001-001?“ fragte der Oberst. „Und die Information ist in Ihrer Automatik nicht gespeichert?“
„Nein, Sir.“
„Bleiben Sie im Bild!“ befahl der Oberst. „Ich lasse abfragen.“
Or-do wartete geduldig. Der Kommandostand des kleinen Kreuzers schwang vor verhaltener Spannung; aber die Offiziere saßen mit ernsten, scheinbar interesselosen Gesichtern vor ihren Pulten.
Von Zeit zu Zeit warf die Automatik weitere Informationsstreifen aus. Das fremde Schiff sendete ununterbrochen denselben seltsamen Ruf. Entfernung und Geschwindigkeit des Fremden nahmen langsam ab.
Der Oberst meldete sich schließlich zurück. Entgegen der Vorschrift, sich stets gleichmütig zu zeigen, machte er einen aufgeregten Eindruck.
„Ein alter Hilferuf“, sprudelte er hervor. „Bis zum Jahre 3000 etwa gebräuchlich, dann aus dem Kode gestrichen. Der Ruf bedeutet 55-55-55 … der Fremde bittet um Hilfe. Nehmen Sie sich seiner an! Aber seien Sie vorsichtig!“
Or-do verneigte sich leicht.
„Jawohl. Ich fliege dem Fremden entgegen.“
*
„Da kommt einer!“ jubilierte Jaune Viviers. Und fuhr mit überschnappender Stimme fort: „Ortung! Ortung! Automatik meldet …“
Pete O’Neill, der neben Viviers saß, drehte sich zur Seite, brachte Viviers mit einem geringschätzigen Blick zum Schweigen und meinte:
„Wenn du nur nicht immer wegen der unwichtigen Dinge deinen Mund aufreißen wolltest. Wir alle haben deinen Georteten schon längst gesehen!“
Viviers
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