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TS 64: Bluff der Jahrtausende

TS 64: Bluff der Jahrtausende

Titel: TS 64: Bluff der Jahrtausende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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gegenseitig die Visiphon-Kodezeichen notiert und einen Anruf für zweiundzwanzig Uhr am nächsten Abend verabredet hatten.
     
    *
     
    Richard Toyes kam jedoch nicht mehr dazu, diese Verabredung einzuhalten. Etwas Sonderbares und Unerklärliches hielt ihn davon ab.
    Als er gegen Mittag erwachte, hatte er starke Leibschmerzen. Er hielt sie für die Folge einer der ungewohnten Speisen, die er am vergangenen Abend zu sich genommen hatte, und nahm ein schmerzlinderndes und gleichzeitig abführendes Mittel.
    Als das Mittel seine Wirkung tat, fand es Toyes noch um einiges schmerzhafter, dem Drang nachzugeben, den es ausübte. Das machte ihn besorgt und veranlaßte ihn, einen Teil des Auswurfs in einem kleinen Analysenbehälter sammeln zu lassen. Den Analysenbehälter wollte er auf dem üblichen Rohrpostweg dem medizinischen Dienst zusenden und um eine Diagnose bitten.
    Als er die Rohrpostleitung jedoch aufklappte und den Behälter einführen wollte, sah er durch die gläsernen Plastikwände hindurch etwas, was nicht in den Behälter zu gehören schien und recht gut das sein konnte, was seine Schmerzen verursacht hatte.
    Unter einem Desinfektionsbad leerte er den Behälter, reinigte den Fremdkörper, der sich als ein unregelmäßiges Stück Plastikstoff entpuppte, und las auf dem grauen Untergrund in mattroten, unbeholfenen Buchstaben:
    NAN HSIANG
    NISHINA-COMPANY
    Toyes war maßlos verwundert. Er erinnerte sich nicht, jemals ein Stück Stoff verschluckt zu haben.
    Aber die Existenz des Stoffes war nicht anzuzweifeln – ebenso wenig wie die Tatsache, daß er es im Magen gehabt hatte.
    Sein erster Gedanke war Kim Il. Konnte Kim Il ihm die seltsame Botschaft in das Essen praktiziert und ihn, womöglich unter Hypnose, dazu veranlaßt haben, es unbemerkt hinunterzuschlucken?
    Unwahrscheinlich, entschied Toyes, aber möglich.
    Er versuchte, Kim Il anzurufen; aber Kim Il meldete sich nicht. Ein paar Minuten später war Toyes froh darüber, denn wahrscheinlich hätte er sich nur blamiert. War Kim Il nicht der Schuldige, dann würde er sich mit Recht beleidigt fühlen. War er doch der Schuldige, dann würde er es wahrscheinlich nicht zugeben. Sonst hätte er Toyes den Namen und die Adresse nämlich selbst sagen können.
    Was also war zu tun?
    Verbindung mit dem Mann aufzunehmen, der Nan Hsiang hieß und in der Nishina-Company anscheinend beschäftigt war.
    Toyes bedachte die Sache von allen Seiten und kam nach reiflicher Überlegung zu dem Schluß, daß ihm nichts geschehen könne, wenn er Nan Hsiang um eine Unterredung bat.
    Die Nishina-Company meldete sich sofort. Es schien ein stattlicher Betrieb zu sein; jedenfalls dauerte es ziemlich lange, bis man Nan Hsiang gefunden hatte und er das Gespräch übernehmen konnte.
    Toyes sah ein altes, zerfurchtes Gesicht mit listigen, hellen Augen und einem kleinen Kinnbärtchen auf seinem Bildschirm auftauchen. Er entschuldigte sich für die Belästigung in der üblichen Manier und bat den Alten um eine Unterredung unter vier Augen. Nan Hsiang verriet mit keiner Miene, ob er etwa besser Bescheid wisse als Toyes. Er schlug als Treffpunkt seine Wohnung in der 23. Straße und als Zeit 2000 Uhr vor.
    Toyes war damit einverstanden und verbrachte den Rest des Nachmittags damit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was es mit dem Stück Stoff und dem alten Nan Hsiang wohl auf sich habe.
     
    *
     
    Die 23. Straße gehörte zu einer Wohngegend, die sich mit der, in der Toyes seit gestern sein Quartier aufgeschlagen hatte, nicht vergleichen konnte. Aber Toyes störte das vor lauter Aufregung keineswegs.
    Das seltsame Stück Stoff trug er in seiner Tasche. Vielleicht brauchte Nan Hsiang es als Identifizierung.
    Nan Hsiang wohnte im achtundfünfzigsten Stockwerk eines der großen Miettürme, die die Straße auf beiden Seiten flankierten und ihr das Bild einer steilwandigen, tiefen Schlucht gaben. Der Alte lächelte freundlich, als Toyes sich an seiner Tür meldete.
    „Ich bin überzeugt, daß Sie ein hübscheres Wohnen gewöhnt sind“, sagte er zur Einleitung. „Wenn Sie aber meine schäbige Behausung trotzdem nicht stört, dann wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie hereinkommen wollten.“
    Toyes nahm die Einladung an. Nan Hsiang führte ihn durch einen engen Vorplatz in ein kleines Zimmer und bat ihn, auf dem einzigen Sessel Platz zu nehmen, den es dort gab.
    Das Tischchen, vor dem der Sessel stand, war der einzige nennenswert moderne Einrichtungsgegenstand des Raumes. Das Tischchen hatte ein

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