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TS 64: Bluff der Jahrtausende

TS 64: Bluff der Jahrtausende

Titel: TS 64: Bluff der Jahrtausende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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der Klassifikation 0,002 eigentlich etwas anderes vorgestellt hatte.
    An der Kreuzung der 23. Straße mit der Kuang-Tung-Road fuhr er auf dem Gleitband zur obersten Etage der unterirdischen Fußgängerstraßen hinunter und ließ sich auf dem langsamsten Band zur Stadtmitte hin tragen. Er hatte kein festes Ziel. Die Wohnung, die er sich als Richard Toyes gemietet hatte, stand ihm natürlich weiterhin zur Verfügung – solange er sich nicht verriet – und es bereitete ihm eine Art grimmiges Vergnügen, sich vorzustellen, daß er jederzeit wieder auf die Bank und den Rest des Geldes abheben könne, das der Sunrise-Staat als angebliches Gehalt des Ingenieurs Toyes dort deponiert hatte, um die Wirksamkeit der Pfropfung zu unterstützen.
    Aber er wollte nicht nach Hause. Ein paar hundert Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf, und um mit denen ins Reine zu kommen, war ihm das brausende Gedränge der unterirdischen Laufbandstraße gerade recht.
    Um Warren Foley, Pete O’Neill und Jaune Viviers machte er sich im Augenblick keine Sorgen. Wenn Nan Hsiang nichts über sie hatte erfahren können, dann bedeutete das einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit dafür, daß sie Liu-Sü entkommen waren – selbst, wenn es in Pete O’Neills Fall nicht leicht zu verstehen war, wie er das in seinem Zustand geschafft hatte.
    Chet wußte, daß er die Mikrogeräte, die zur Ausstattung eines Agenten gehörten, immer noch unter der Haut trug. Liu-Sü hatte sich nicht die Mühe gemacht, sie zu entfernen, weil er sicher gewesen war, daß die Folgen der Pfropfung für immer vorhalten und Richard Toyes niemals etwas von den Dingen wissen würde, die Chet Farren in sich herumtrug. Es war also einfach, Foley, O’Neill und Viviers ein Kodesignal zu geben und sie an einer bestimmten Stelle zu versammeln. Aber einerseits war es leicht möglich, daß jemand, den es nichts anging, dieses Signal empfing und die wahre Identität von Toyes-Farren den Behörden damit offenbar würde, und zweitens bedurfte Chet seiner Männer im Augenblick nicht.
    Denn im Verlauf der langweiligen Fahrt auf dem äußersten Laufband hatten sich seine Gedanken, zunächst wirr und unzusammenhängend, zu einem Verdacht geformt, der auf den ersten Blick närrisch zu sein schien, auf den zweiten aber so gut die Kette der Erklärungen schloß, daß Chet sich näher mit ihm zu befassen begann.
    Jenseits der Stadtmitte war er des Straßenlärms schließlich überdrüssig, nahm das nächste Gleitband aufwärts und machte es sich in einer kleinen Automatengaststätte am Rand der kilometerbreiten östlichen Ausfallstraße an einem kleinen Tisch bequem. Er bestellte ein Glas eines synthetisch-alkoholischen Getränks, nahm einen kleinen Schluck zur Aufmunterung, stützte den Kopf in die Hände und begann, systematisch nachzudenken.
    Was ihn an seinem Verdacht in erster Linie störte, war die Tatsache, daß er dem Hauptverdächtigen kein Motiv unterschieben konnte. Es gab keinen vernünftigen Grund dafür, warum ein Mann des 20. Jahrhunderts solche Anstrengungen unternehmen sollte, nur, um im 40. Jahrhundert Wirrwarr – und zwar lebensgefährlichen Wirrwarr – zu stiften. Als einzige Annahme blieb, daß Howligan ein Narr gewesen sei, und zwar ein Narr im medizinischen Sinne.
    Wenn das sich so verhielt, dann allerdings waren all die Dinge leicht zu verstehen, die sich in den letzten Tagen ereignet hatten – als Ausfluß eines kranken Gehirns.
    Chet hatte die Erregung wohl bemerkt, die auf den Straßen herrschte. Er hatte Gesprächsfetzen belauscht und wußte, daß Nan Hsiang recht gehabt hatte: die Wut des Volkes drängte zur politischen Explosion.
    Chet hatte intensiven politischen Unterricht genossen; er kannte ähnliche Ereignisse aus der Geschichte der Menschheit. Er wußte, wie schnell es unter Umständen zur Explosion kommen konnte – besonders dann, wenn eine gut organisierte Vereinigung, wie es die MANDELBLÜTE anscheinend war, die Glut schürte. Er wußte aber auch – oder glaubte vielmehr auf Grund seines Verdachtes zu wissen – daß alle Erregung in Wirklichkeit der Tat eines Narren galt, über die zu lachen besser gewesen wäre, als ihretwegen einen interplanetarischen Krieg vom Zaun zu brechen.
    Und er wußte schließlich noch, daß dieser Krieg nur ein paar Tage lang dauern würde. Die Erde war für alle Fälle gerüstet. Ein paar Stunden nach der offiziellen Kriegserklärung an eine der weißen Welten – falls es eine solche Erklärung gab, sonst ein paar Stunden

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