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TS 64: Bluff der Jahrtausende

TS 64: Bluff der Jahrtausende

Titel: TS 64: Bluff der Jahrtausende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Mahr
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Sie sich als Agent entpuppt haben“, erklärte er. „Ich glaube, Sie hätten sonst sehr große Chancen bei ihr gehabt.“
    Chet stellte fest, daß er mindestens ebenso traurig war wie Haiko. Nach der Pfropfung würde er sich nicht einmal mehr an sie erinnern. Das war gut – oder schlecht – je nach dem, ob man es vom Verstand oder vom Gefühl her betrachtete.
    Über den alten Mann, der beim Verhör und bei der Gehirnwäsche dabei gewesen war, erfuhr Chet, daß er Si Ting heiße und Ratsmitglied der Regionalverwaltung Provinz Ulan sei. Si Ting tauchte nicht mehr auf, bevor Chet Farren zur Pfropfung gebracht wurde.
    Äußerlich vollkommen ruhig, ließ Chet sich auf das weiche Plastiklager schnallen. Liu-Sü selbst führte an einem Dreharm den metallenen Topfhelm herbei, der dem Delinquenten über den Schädel gestülpt werden mußte. Aber bevor Chets Kopf darunter verschwand, sagte Liu-Sü lächelnd:
    „Bis in einer Stunde, Mr. Toyes! Gehaben Sie sich wohl!“
    Chet registrierte seinen neuen Namen. Er besagte ihm nichts.
    Der schwere Helm senkte sich über seinen Kopf, und wenige Sekunden später begann das Nervengas, das durch feine Düsen eingesprüht wurde, seine Wirkung zu tun. Chet fühlte sich leicht und immer leichter. Es war ihm, als würde er von einer sanften Kraft emporgehoben und in raschem, angenehmem Flug davongetragen.
    Sein letzter klarer Gedanke war: Das Stück Stoff haben sie nicht entdeckt!

 
6.
     
    „Ihr Name?“
    Der Mann war eben gerade zu sich gekommen. Er richtete sich halb auf, stützte sich auf die Ellbogen und sah sich verwundert um. Vor ihm stand ein kleiner, dicker Mann und starrte ihn ungeduldig an.
    „Toyes“, antwortete Toyes. „Richard Toyes.“
    Der kleine Dicke nickte. Toyes erinnerte sich plötzlich, daß er Liu-Sü hieß und Kommissar war.
    „Gut. Weswegen sind Sie hier?“
    Toyes erinnerte sich auch daran. Er war als Ingenieur im Dienst der Sunrise-Staatsverwaltung in den Technetium-Minen auf MARTHA gewesen. Technetium war kriegswichtiges Material, und MARTHA lag ziemlich weit außerhalb des mongolischen Einflußbereichs, obwohl er SUNRISE direkt unterstand, was die Verwaltung anbelangte. Toyes war nach Ablauf seiner Verpflichtungszeit nach SUNRISE zurückgekehrt; denn obwohl er Angehöriger der weißen Rasse war, war SUNRISE seine Heimat. Natürlich mußte ein Mann wie er bei seiner Heimkehr einer psychophysikalischen Untersuchung unterzogen werden.
    Toyes sagte das, und der Kommissar nickte abermals.
    „Die Untersuchung ist beendet“, erklärte er dann. „Sie wird keine Nachwirkungen haben. Bei Ihnen ist …“, dazu lächelte er und tippte sich gegen die Stirn, „… hier oben alles in Ordnung.“
    „Das will ich hoffen“, antwortete Toyes und stand vollends auf.
    An einem Regal hingen sein Hemd, das graublaue Jackett – Uniform-Zivil der höheren Angestellten auf MARTHA – und der ebenso graublaue Mantel.
    Toyes zog sich an. Dann sah er Liu-Sü unschlüssig an.
    „Was jetzt …?“
    Liu-Sü hob die Schultern.
    „Jetzt gehen Sie am besten einfach nach Hause.“
    Toyes lachte.
    „Gut gesagt! Hab’ kein Zuhause. Wenn man vorhat, auf fünf Jahre nach MARTHA zu gehen, dann gibt man seine Wohnung vorher auf.“
    „Na, na, na …“, beschwichtigte Liu-Sü. „Ich habe noch keinen von MARTHA ohne Geld zurückkommen sehen. Passen Sie auf: in ein paar Stunden werden Sie sich ein Luxusappartement gemietet haben!“
     
    *
     
    Liu-Sü kannte seine Patienten. Richard Toves fuhr auf dem geradesten Wege zu der Bank, auf die er von MARTHA aus sein überschüssiges Gehalt überwiesen hatte, hob einen stattlichen Betrag ab, beauftragte einen Makler mit der Suche nach einer Wohnung und war noch am Abend desselben Tages Inhaber eines Dreihundert-Credits-Appartements in der Shantung Road.
    Die ersten Stunden des Abends benutzte Toyes, um ein wenig zu schlafen. Zwei Stunden vor Mitternacht stand er auf, legte einen der kostbaren Anzüge an, die der Servo-Dienst eines Warenhauses in der Zwischenzeit abgeliefert hatte, und verließ seine Wohnung mit dem festen Vorsatz, sich nach den langen Jahren der Weltabgeschiedenheit auf MARTHA eine ganze Nacht lang nach Kräften zu amüsieren. Die große Stadt Ulan bot dazu alle Möglichkeiten.
    Toyes hatte, bevor er nach MARTHA ging, nicht in Ulan gewohnt, sondern in einer wesentlich kleineren Stadt, etwa dreizehntausend Kilometer weit entfernt auf einem anderen Kontinent. Aber da er keine Verwandten besaß und keine Freunde hatte

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