TS 64: Bluff der Jahrtausende
das Oberhaupt der MANDELBLÜTE ist; aber eine wichtige Rolle spielt er jedenfalls.“
Der Transporter war gelandet. Durch das Fenster sah Chet zwei Männer aussteigen und auf das Haus zukommen. Er winkte Jaune und Pete an die Tür.
Liu-Süs Gesicht war grau geworden. Er sah aus, als wolle er jeden Augenblick zusammenbrechen.
Schritte kamen den Gang entlang. Die Tür glitt zur Seite. Der Pilot kam als erster herein, hielt inne, als er die vielen Männer sah, und fiel unter Petes Schuß.
Draußen im Gang stürzte das „Oberhaupt“ unter Jaunes wohlgezielter Salve polternd zu Boden. Warren trug den Mann herein und legte ihn vor Liu-Süs Schreibtisch nieder.
Kim Il starrte dem Bewußtlosen ins Gesicht und schüttelte den Kopf.
„Ich kenne ihn nicht“, behauptete er.
Chet Farren kniete nieder und betastete das Gesicht des Oberhauptes.
„Glauben Sie nicht“, sagte er, „daß solche Leute sich nicht ausgezeichnet zu maskieren verstünden. – Außerdem wird er allerdings Ihnen auch ohne Maske nichts besagen. Aber für uns von der Erde wäre er wirklich eine Riesenüberraschung, wenn wir nicht …“
Er unterbrach sich, faßte die Maske mit zwei Händen und zog sie dem Bewußtlosen vorsichtig vom Gesicht.
Dann nickte er nachdenklich und sagte leise:
„Nan Hsiang, Agent des Space Intelligence Service auf SUNRISE, Klassifikation 0,002. – Wer hätte das gedacht, alter Mann!“
Er stand auf und sah in die verdutzten Gesichter seiner Männer.
„Hebt ihn mir gut auf!“ riet er ihnen. „Solange wir den Kopf haben, kann uns die ganze MANDELBLÜTE nichts anhaben!“
Er schaute zum Fenster hinaus.
„Wir nehmen seinen Wagen und fahren nach Ulan.“
*
Der Transporter gelangte unangefochten nach Ulan hinein. Die Stadt schien ausgestorben; außer einigen Patrouillen auf den wichtigsten Straßen war kein Mensch zu sehen.
Chet Farren landete den Wagen vor den Füßen einer dieser Patrouillen und stieg aus. Die Leute standen stramm, da sie an dem Transporter das Kennzeichen des MANDELBLÜTEN-Oberhauptes erkannten. Sie hatten ihren höchsten Herrn nie gesehen, wurden aber stutzig, als sie Chets Hautfarbe erkannten.
Pete O’Neill jedoch streckte den trichterförmigen Lauf eines Schockstrahlers aus der Pilotenkabine und brachte sie zur Vernunft. Chet Farren befahl ihnen, den Wagen zum Regierungsgebäude zu begleiten und dort für freie Einfahrt zu sorgen. Die drei Männer waren dazu bereit, nachdem Chet ihnen den bewußtlosen Nan Hsiang gezeigt und Liu-Sü ihnen mit gebrochener Stimme versichert hatte, daß er wirklich das Oberhaupt sei.
Auf diese Weise gelangte der Transporter unbehelligt zum Regierungspalast. Der bewußtlose Nan Hsiang, den Warren Foley auf den Armen trug, und der zerknirschte Liu-Sü, den Pete O’Neill neben sich herführte, hinderten die MANDELBLÜTEN-Rebellen, von denen das Gebäude übrigens wimmelte, zu tun, was sie hätten tun sollen.
Wenige Minuten später standen Chet und seine Begleiter in Si Tings Büro, in dem jetzt ein Offizier der Vereinigung residierte. Er brauchte eine Weile, um zu begreifen, was geschehen war. Dann aber bedurfte es keiner weiteren Drohung mehr, um ihn zur Aufgabe seines Platzes zu bewegen. Im Gegenteil: er war Chet behilflich, die Hyperwellenverbindung mit der Erde auf schnellstem Wege zu bekommen.
Chet hielt sich nicht damit auf, einer Reihe von Leuten Erklärungen abzugeben, sondern verlangte General Houston direkt. Es tat ihm wohl, die heisere Stimme des alten Brummbären zu hören. Er erklärte in knappen Sätzen, was geschehen war. Houston hörte aufmerksam zu und versicherte:
„Wenn ich sicher sein könnte, Farren, daß Sie nicht unter Zwang gehalten werden, würde ich alle Hebel in Bewegung setzen, um die Flotte zurückzurufen. So aber kann ich die Verantwortung nicht übernehmen.“
Chet Farren stöhnte.
„Die Flotte soll nicht zurückgerufen werden“, brüllte er in das Mikrophon, „sie soll nur in der Nähe von SUNRISE auf Wartestellung gehen und nicht blindlings angreifen. Die Regierung von SUNRISE wird mit dem Kommandanten verhandeln und ihm zweifellos die bedingungslose Kapitulation anbieten. Verhindert werden soll lediglich, daß man SUNRISE wegen einiger Narren zum Schutthaufen macht.“
Houston zögerte eine Weile. Dann antwortete er:
„Gut. Das kann ich erreichen. Ich wäre Ihnen aber trotzdem dankbar, wenn Sie mir einen umfassenden Bericht so schnell wie möglich zusenden würden. Scheuen Sie keine Kosten!“
Farren
Weitere Kostenlose Bücher