TS 65: Die Zeit-Agenten
werde nicht um Hilfe rufen, Gnaius. Aber du mußt den Verstand verloren haben.“
„Das gebe ich zu“, erwiderte er plötzlich besorgt. „Nur ein Verrückter würde dich nach all dem aufsuchen, was du mir angetan hast. Aber ohne dich bin ich verloren.“
„Du trägst es mir also wirklich nach, daß ich mir zwei kleine Andenken mitgenommen habe“, verwies sie ihn. „Nach allem, was ich dir gegeben habe.“
Das klang so unschuldig, daß er ihr einen Augenblick zu glauben schien. Er starrte sie an, lachte schrill, stieß sie weg und schlug sich an die Stirn. „Wahrlich“, rief er aus, „das Schicksal spielt mir seltsame Streiche. Ich hatte mich schon als das Opfer einer Verschwörung gesehen, und dich, Marina, als ein trügerisches Juwel. Jetzt sehe ich, daß ich nur das Opfer eines Irrtums bin.“
„Und wie wäre es“, fragte Elspeth, „wenn du dich …“
Er unterbrach sie mit einer tragischen Geste und erklärte: „Noch ein Grund mehr, nachdem nicht du es warst, sondern eine mir feindlich gesinnte Göttin, die mich betrog, noch mehr Grund für dich, mit mir einer Welt zu entfliehen, auf der solche Dinge möglich sind.“
Er griff nach ihren Händen und blickte ihr tief in die Augen.
Sie wandte sich ab, als sei sie verwirrt. Plötzlich sah sie, daß in seiner rechten Hand irgendein Gegenstand lag, dessen winzige Ausbuchtung zwischen den Fingern hervordrang. Plötzlich wurde ihr klar, wie verzweifelt er sein mußte.
Seine Absicht war gewesen, sie mitzunehmen oder sie zu töten, wenn sie sich weigerte. Ihre falsche Unschuld, vermutete sie, hatte sie für den Augenblick gerettet. Denn Gnaius Laconius, so erinnerte sie sich jetzt – ganz gleich, wie er auf seinem Heimatplaneten heißen mochte – war einer der Männer von Herzland, die Mack und die Amazonen gleichermaßen verabscheuten.
Wie er es fertiggebracht hatte, das Rom von Antik zu erreichen, war eine Frage, die sie nicht beantworten konnte. Aber sie hatte das Gefühl, daß die Antwort ein wichtiger Bestandteil des Problems war, mit dem die Wächter sich auseinanderzusetzen hatten, und es war ihre Absicht, sie kennenzulernen.
Weshalb Gnaius verschwunden war, ließ sich leichter erraten. Offensichtlich war er, kurz nachdem sie ihn verlassen hatte, hinter ihreSchliche gekommen. Vielleicht hatte ihn auch ein Agent seiner eigenen Leute geweckt. Der Diebstahl war entdeckt worden, und der andere Agent und eine Anzahl von Straßenräubern waren zu ihrer Villa gesandt worden. Als sich herausstellte, daß sie bereits zu dem Palast auf dem Aventin unterwegs war, hatte man sie in der Nähe des murcischen Tores angegriffen.
Berenices Bemerkung, daß Gnaius am Schauplatz dieses Handgemenges gesehen worden war, schien Elspeth das zu beweisen. Zweifellos hatte er sich selbst in sicherer Entfernung gehalten und war geflohen, als die Banditen besiegt worden waren. Von diesem Augenblick an war er natürlich bei seinen eigenen Leuten in Ungnade – während sie selbst damit den Führern von Herzland aufgefallen war.
Gnaius mußte sich in der Stadt verborgen haben. Sie runzelte die Stirn und meinte: „Wenn du in solcher Gefahr bist, Gnaius, warum bist du dann in Rom? Du hättest doch fliehen können …“
„Ich konnte nicht fliehen, ehe ich dich gesehen hatte – entweder um dich mit mir zu nehmen, oder um dir deine Schuld ins Gesicht zu sagen und dich zu töten“, erwiderte er dramatisch. „Jetzt, da ich deine Unschuld kenne, mußt du mit mir kommen. Ohne dich bin ich verloren.“
Elspeth beschloß mitzukommen. Gnaius, das stand für sie fest, war ein viel zu schlechter Schauspieler, um der Köder einer Falle zu sein. So sagte sie ruhig: „Gut denn, Gnaius. Wohin?“
Das nahm ihm den Wind völlig aus den Segeln. Er stotterte und versuchte es ihr zu erklären. Plötzlich hielt er inne und sah sie ungläubig an. „Du kommst also wirklich mit?“
„Natürlich“, erwiderte sie. „Wenn ich dir, ohne es zu wollen, Schaden zugefügt hatte, ist es nur recht und billig, daß ich ihn wiedergutmache.“
Er sah sie erschreckt an und rief aus: „Du kommst mit mir, aber nur aus Mitleid! Und ich lasse mich von keiner Frau bemitleiden.“
Sie versuchte ihren Fehler wiedergutzumachen, indem sie sich an ihn drückte und ihm über den Arm strich. „Dein Herz sollte dir sagen, daß das, was ich für dich empfinde, mit Mitleid nichts zu tun hat.“ Was sie wirklich für ihn empfand – nämlich einzig und allein Abscheu – sagte sie wohlweislich nicht.
Das
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