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TS 68: Die Stadt im Meer

TS 68: Die Stadt im Meer

Titel: TS 68: Die Stadt im Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilson Tucker
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Sie stieß mit dem Finger auf seine Brust. „Wo warst du?“
    „Zurückgegangen … Korporal“, sagte er langsam. Seine Stimme klang rauh, weil er sie nie gebraucht hatte, und es machte ihm Schwierigkeiten, die Laute zu finden, mit denen er ausdrücken konnte, was er sagen wollte. „Da hinten … Tunnel.“
    „Sie ist in die Kolonie zurückgekehrt?“ Barra nickte langsam. „Und du hast sie bis zum Tunnel gebracht, nehme ich an? Ja, daran hätte ich denken sollen.“ Sie blickte zu ihm auf. „Es ist nicht leicht, zu sprechen, nicht? Machen dir die Worte Schwierigkeiten?“
    „Habe nicht gebraucht … gebraucht …?“
    „Du hast deine Stimme nicht gebraucht“, half Barra ihm weiter.
    „Meine Stimme nicht gebraucht seit … seit damals.“
    „Wann ist damals? Wie lange her?“
    „Kind.“
    „Du hast nicht gesprochen, seit du ein Kind warst?“ Wieder kam ihr der Gedanke. „Wolf – wie lange ist es her, daß du ein Kind warst? Wie alt bist du?“
    Der Mann dachte nach. Er wußte, daß sie an die Begriffe Monat und Jahr dachte, aber sie bedeuteten nichts für ihn. Die Ärztin benutzte eine Sprache, die ihm völlig fremd war, und obwohl er sich notdürftig mit ihr unterhalten konnte, indem er die Worte aussprach, die er in ihrem Geist fand, so sagten ihm diese Worte doch nichts.
    „Du machst keinen Sinn“, sagte er plötzlich. „Was ist ein Jahr?“
    „Ein Jahr?“ Barra war verwirrt. „Nun … ein Jahr ist die Zeit, die die Sonne braucht, um Sommer, Herbst, Winter und Frühling zu durchlaufen. Von einer kalten Periode zur anderen.“
    Wolf überlegte.
    Und wieder schüttelte er den Kopf. „Macht keinen Sinn. Nicht kalt hier, niemals, nicht mehr.“
    „Kein Winter? Das kann ich kaum glauben! Habt ihr keinen Schnee?“ Sie schloß die Augen und formte in ihrem Gedächtnis das Bild fallenden Schnees und weißbedeckter Erde.
    Er sagte: „Nein.“
    „Bei der Königin – was für ein Land ist das? Sieh mal, mein Freund“, sie kehrte zu ihrer ersten Frage zurück. „Ich versuche, dein ungefähres Alter festzustellen.“ Sie zeigte auf die Bäume. „Diese Bäume sind ein- bis zweihundert Jahre alt, nehme ich an. Waren sie hier, als du ein Kind warst?“
    Wolf betrachtete sie. „Nein.“
    „Also! Wir kommen ja weiter! Nun, wir waren in der toten Stadt draußen in der Ebene, wo die geflügelten Menschen leben. War die Stadt schon da, als du ein Kind warst?“
    „Ja.“
    „War sie schon tot?“
    „Ja.“
    „Waren die fliegenden Menschen da?“
    „Ja.“
    „Nun, vielleicht kommen wir doch nicht weiter. Alles, was ich festgestellt habe ist, daß, wenn die Bäume zweihundert Jahre alt sind, du älter sein mußt. Lassen wir das jetzt mal. Ich bin wenigstens froh, daß meine Theorien richtig waren. Du brauchst keine Stimme?“
    Er lächelte sie an. „Nein … Doktor.“
    „Ich wußte, daß ich recht hatte“, sagte sie vergnügt. „Zee wollte mir nicht glauben. Sie meinte, es sei zu phantastisch.“
    Wolf blickte an der Ärztin vorbei zum anderen Ende des Wäldchens, wo der Captain verschwunden war. „Sie ist … ist …“ Er schwieg hilflos. Er konnte das richtige Wort nicht finden.
    „Sie ist im Augenblick eine recht unglückliche Frau“, sagte Barra an seiner Stelle. „Du hast sie und ihre Truppe gerettet, und deine Rückkehr ist ein Schock für sie. Das und die Gemütsbewegungen der letzten Wochen waren zuviel für sie. Aber sie wird’s überstehen.“
    „Krank“, sagte der Mann.
    Barra grinste ihn an und senkte die Stimme. „Sie ist verliebt. Und frag mich nicht, was das bedeutet – du würdest es wahrscheinlich nicht verstehen.“
    „Verliebt?“
    „Laß nur. Ich habe zu tun. Wir haben sieben Mädchen verloren, und wenn ich mich nicht dranhalte, werden es dreiundzwanzig.“
    Barra kehrte zu den Verwundeten zurück. Eine Abteilung hob einen tiefen Graben neben den Bäumen aus, in dem die Toten beerdigt werden sollten, und Wolf half ihnen.
    Kurz vor Morgengrauen ließ Zee das Lager abbrechen und marschierte weiter gen Westen. Sie wollte eine möglichst große Strecke bis zum Abend zurückgelegt haben. Die Leichtverwundeten gingen neben den Wagen her, die anderen wurden gefahren. Bald erreichten sie einen zweiten Fluß, der flacher war als der erste.
    „Sie nicht durch Wasser gehen“, sagte Wolf zu Zee.
    Sie starrte ihn schweigend an.
    Barra fragte: „Wer wird nicht durch Wasser gehen? Die kleinen, nackten Wilden? Werden wir am anderen Ufer in Sicherheit

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