TS 71: Flitterwochen in der Hölle
und sagte: „Schön, Anna, du kannst mich Ray nennen.“
Die Trauung war kurz und geschäftsmäßig. Er konnte die Braut leider nicht küssen, aber er lächelte ihr noch einmal zu, bevor die Übertragung zu Ende war und sagte fröhlich: „Na, dann sehen wir uns ja in der Hölle wieder!“
Den Nachmittag verbrachte er damit, die Rakete innen und außen zu studieren, bis er sie fast besser als sich selbst kannte. Er ließ einen Vortrag über russische Raketen über sich ergehen und stellte voller Überraschung fest, daß die USA und Rußland auf diesem Gebiet keine Geheimnisse mehr voreinander hatten.
„Seit wann wissen Sie denn das schon alles?“ fragte er Major Granham.
„Seit Ihr Flug geplant wurde – vor etwa vier Wochen.“
„Aber warum habe ich dann erst gestern davon erfahren? Oder wollten Sie zuerst doch einen anderen Piloten nehmen?“
„Wir hatten Sie von Anfang an ausgesucht. Schließlich waren Sie der einzige, der alle Bedingungen erfüllte. Wissen Sie denn nicht mehr, wie es damals vor Ihrem ersten Flug war – da wurden Sie doch auch erst zwanzig Stunden vorher verständigt. Das ist genau der richtige Zeitpunkt … früh genug, um sich darauf vorzubereiten und zu spät, sich Sorgen zu machen.
Wir hätten Hunderte von Freiwilligen haben können – junge Piloten, die nur noch nicht auf dem Mond waren. Wenn wir ein Bild von Anna herumgezeigt hätten, wäre es vermutlich zu einer Massenschlägerei gekommen. Das Mädchen ist wirklich ein Köder für einen Mondflug!“
„Vorsichtig“, sagte Carmody, „Sie sprechen von meiner Frau …“ Er hatte natürlich nur Spaß gemacht, aber seltsamerweise gefiel ihm Granhams Bemerkung wirklich nicht sehr.
Der Start war auf 22:00 festgesetzt worden. Um 21:40 war er bereits angeschnallt und wartete ungeduldig. Jetzt hatte er nichts anderes zu tun, als am Leben zu bleiben. Dutzende von Chronometern sorgten dafür, daß der Start auf Bruchteile von Zehntelsekunden genau erfolgte.
Diesmal war die Rakete etwas geräumiger als beim letztenmal. Die R24 war etwa so bequem wie ein schmaler Sarg gewesen, während die R46, in der er diesmal flog, immerhin einen Durchmesser von anderthalb Metern hatte. Er konnte sich wenigstens ein bißchen bewegen. Der Flug würde das reinste Kinderspiel werden – nur vierundvierzig Stunden Flugzeit und nur drei g Andruck.
Noch zehn Sekunden … noch sechs … noch zwei … Start! Er fühlte, wie sein Körper immer schwerer wurde, als die Triebwerke die Rakete in den Himmel schleuderten. Fast wäre ihm schlecht geworden, als der Steuerungsmechanismus die Rakete um fünfundvierzig Grad drehte. Er wog jetzt vierhundertachtzig Pfund, das weiche Polster war hart wie Stein geworden, und die breiten Gurte schienen sich in Stahlbänder verwandelt zu haben.
Dann war Brennschluß erreicht. Das Triebwerk setzte aus.
Die Geschwindigkeit der Rakete genügte, um ihn sicher bis in den Bereich der Anziehungskraft des Mondes gelangen zu lassen. Während der nächsten vierzig Stunden hatte er nichts mehr zu tun, als zu warten.
Die Zeit schien endlos langsam zu verstreichen, aber schließlich verging sie doch.
Die Landung war ausgezeichnet – Carmody wurde nicht einmal ohnmächtig. Er verschloß seinen Raumanzug und kroch mühselig aus der Rakete. Wie üblich, war sie nach der Landung umgefallen, das taten sie alle. Aber er machte sich deshalb keine Sorgen, denn er hatte die Ausrüstung, mit der man sie wieder aufrichten konnte.
Die Nachschubraketen waren tatsächlich an dem vorausberechneten Punkt eingetroffen. Sechs, vier amerikanische und zwei russische, lagen in einem Umkreis von hundert Metern um seinen Aufsetzpunkt entfernt. Andere lagen weiter davon entfernt, aber er hielt sich nicht damit auf, sie zu zählen. Er sah sich nach der bemannten – oder beweibten – Rakete aus Rußland um. Schließlich entdeckte er sie etwa einen Kilometer entfernt, aber er konnte keinen Menschen daneben sehen.
Carmody rannte darauf zu. Voll ausgerüstet mit Raumanzug, Sauerstofftanks und etlichen anderen Ausrüstungsgegenständen wog er etwa vierhundert Pfund. Ein kilometerlanger Spurt war hier weniger anstrengend als ein Hundertmeterlauf auf der Erde.
Er war sehr erleichtert, als sich die Luke der russischen Rakete öffnete, denn er hätte es nicht wagen können, sie zu öffnen, weil er nicht wußte, ob Anna ihren Raumanzug trug.
Sie kletterte heraus und winkte ihm zu. Sie sah noch ziemlich blaß aus, aber sie brachte es trotzdem fertig, ihm
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