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TS 72: Das Erbe von Hiroshima

TS 72: Das Erbe von Hiroshima

Titel: TS 72: Das Erbe von Hiroshima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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sein.
    Die Eltern hatten geschrieben, daß sie zurückkehren könne. Niemand kümmere sich mehr um sie, und auch Prexler habe sich nicht mehr gemeldet. Aber Ann wußte, daß ihr Auftauchen in Richmond eine Sensation und zugleich der Beginn einer neuen Hetzjagd bedeuten würde. Nein, sie fühlte sich in London wohl, wenn auch sehr einsam.
    Manchmal dachte sie an Lex Harnahan. Vater schrieb, er käme regelmäßig jeden Monat einmal vorbei und erkundigte sich nach ihr. Geschrieben hatte er nicht mehr, seit seine ersten Briefe unbeantwortet blieben. Vielleicht tue ich ihm unrecht, dachte Ann wehmütig. Im Grunde hatte er recht. Wäre ich nicht Ann Britten, ich bedeutete für die ganze Welt eine ungeheure Gefahr.
    Ich bin ein Monster, gestand sie sich ein. Ein richtiges Monster, in dessen Händen das Schicksal der Menschheit liegt. Ich kann Autos zusammenstoßen und Züge entgleisen lassen. Ich kann jede Bank ausrauben. Wenn ich will, kann ich die Erdsatelliten aus ihrer Bahn bringen und in die Sonne stürzen lassen. Vielleicht kann ich sogar die Atombombenvorräte der Welt zur Detonation bringen und damit den Planeten vernichten …
    Sie wurde plötzlich sehr blaß. Zitternd saß sie auf der Couch und starrte ins Leere. Wie eine eiskalte Hand griff der Schreck nach ihrem Herzen, als sie sich ihrer unbegrenzten Macht bewußt wurde. Sie, ein junges Mädchen von fünfundzwanzig Jahren, stellte die größte Bedrohung menschlicher Existenz dar. Dieses Wissen war mehr, als sie auf die Dauer allein würde ertragen können. Sie brauchte jemand; einen Menschen, der sie verstand und der ihr vertraute.
    Lex Harnahan?
    Sie stand auf und ging zum Fenster. Die Leuchtreklamen der nicht weit entfernten Hauptstraße gaben genügend Helligkeit, die grauen Häuserwände, die einzelnen Erker und abgedunkelten Fenster erkennen zu lassen. Gegenüber auf dem Balkon saß der alte Pensionär und genoß den lauen Sommerabend. Sie konnte seine Umrisse in der künstlichen Dämmerung genau erkennen. Er lag in seinem Liegestuhl und sah hinauf in den angestrahlten Himmel. Vielleicht suchte er die Sterne, die von den Lichtern der Stadt verscheucht worden waren.
    Nur wenige Autos glitten unter ihrem Fenster dahin. Oben in dem Dunst zog eine Verkehrsmaschine mit blinkenden Positionslampen dahin. Sie flog nach Westen. Ann sah hinter ihr her, und die Versuchung wurde übergroß, die Maschine zur Landung zu zwingen.
    Sie riß sich von dem Anblick der höhnisch blinkenden Lichter los und kehrte ins Zimmer zurück.
    Das war die Gefahr: die Grenzen der Macht erkennen zu wollen!
    Sie wußte nur zu genau, daß es ein Kinderspiel sein würde, dasFlugzeug einfach vor eine unsichtbare Materiemauer rennen zu lassen oder sanft herabzuholen, aber sie wollte es sehen. Der Wunsch war übergroß und bezwang sie fast mit hypnotischer Gewalt.
    Nur ein wenig Konzentration und …
    Es klopfte an der Tür.
    Sie wohnte im vierten Stock und hatte zwei Zimmer, für sich abgeschlossen. Noch zwei weitere Parteien teilten sich mit ihr die ehemals sicherlich große und komfortable Wohnung. Ihre Türen führten alle auf den gleichen Gang.
    Hatte jemand von der Geburtstagsgesellschaft etwas vergessen und kam, es zu holen? Wenn ja, dann sicherlich dieser junge Doktor Berningham, der eben am liebsten geblieben wäre. Nun, sie würde ihn schon entsprechend abfertigen.
    Es war nicht Doktor Berningham, sondern ein Fremder.
    Er stellte den Fuß zwischen die Tür, stieß Ann zurück und kam hinter ihr her. Hinter sich schloß er die Tür wieder.
    „Setzen Sie sich!“ befahl er und vergewisserte sich, daß sie allein war. „Sie haben nichts zu befürchten; ich wünsche nur einige Auskünfte. Sie sind Miß Ann Britten?“
    „Ich heiße Elionore Smith. Was wollen Sie? Ich werde …“
    „Nichts werden Sie, Miß Britten. Es hat drei Jahre gedauert, bis ich Sie gefunden habe. Meine Kollegen vom Pentagon arbeiten zu nachlässig. Vielleicht hatten sie auch zu wenig Vertrauen zu Ihren – nun, sagen wir mal: Begabungen.“
    „Wer sind Sie?“
    „Tut das was zur Sache? Ich bin ein Bewunderer Ihres Könnens, Miß Britten. Sie brauchen mir auch nichts vorzumachen, denn seit einem Jahr beobachte ich Sie. Ich bin mir vollkommen sicher. Also: kommen Sie freiwillig mit mir?“
    „Sie sind verrückt, Mister …“
    „Absolut nicht, meine Teuerste. Sehr normal, glauben Sie mir. Also: wie steht es? Freiwillig – oder Gewalt?“
    Ann saß reglos auf der Couch. Warum hatte sie auch die Tür so achtlos

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