TS 72: Das Erbe von Hiroshima
geöffnet und gedacht, lediglich der lästige Berningham sei gekommen, um ihr einen neuerlichen Antrag zu machen? Es war ihre eigene Schuld, in diese Lage geraten zu sein. Wie durfte sie annehmen, die Hexenjagd auf sie sei beendet. Die Quittung für ihren Leichtsinn stand nun vor ihr.
Der Fremde machte keinen schlechten Eindruck, lediglich seine kalten, grauen Augen verrieten harte Entschlossenheit und einen unbeugsamen Willen. Sie hatten ihr den rechten Mann nachgeschickt.
Er hielt die rechte Hand in der Jackentasche, und sie wußte, daß er dort eine Waffe verbarg. Es war sinnlos, etwas unternehmen zu wollen. Zum erstenmal seit langer Zeit beschlich sie so etwas wie Angst.
„Wer sind Sie?“ wiederholte sie. „Kommen Sie von Professor Prexler?“
„Er hat mir lediglich Hinweise gegeben – wenn auch ohne es zu wissen“, gab er zu. „Ich erkläre ihnen später alles. Zuerst verreisen wir.“
„Ich rühre mich nicht von der Stelle, wenn Sie mir nicht sagen, was Sie mit mir vorhaben. Lassen Sie Ihre Pistole ruhig in der Tasche, Mister.“
Zum erstenmal lächelte er. Gelassen setzte er sich ihr gegenüber auf den Sessel. Achtlos schob er eine leere Weinflasche beiseite, damit er sie ungehindert sehen konnte.
„Sie dürfen mich nicht für einen Gangster halten, Miß Britten. Unsere Methoden muten oft seltsam an, aber manchmal kommen wir nicht anders zum Ziel. Wir benötigen Sie, Miß Britten.“
„Sie benötigen mich?“ dehnte sie. „Wer – und wozu?“
„Es wäre mir lieber, wir hätten uns an einem anderen Ort darüber unterhalten können, aber es widerstrebt mir, Ihnen gegenüber Gewalt anzuwenden. Wir wollen doch gute Freunde werden.“
„Was Sie mir bis jetzt boten, wird kaum dazu beitragen.“
„Hätten Sie mich in Ihre Wohnung gelassen, wenn ich höflich dar um gebeten hätte? Na also, so dumm sind Sie auch wieder nicht. Verzeihen Sie also mein ungebetenes Eindringen. Übrigens, Sie sollten mich Miller nennen. Einfach Miller, das genügt.“
„Und in wessen Auftrag arbeiten Sie, Mister Miller?“
„In meinem eigenen, wenn Sie das beruhigt. Natürlich besitze ich einige Freunde mit gleichen Zielen.“
„Pentagon – das erwähnten Sie doch vorhin?“
„Weder Pentagon noch der Kreml.“
Ann wartete. Wenn Miller die Wahrheit sagte, stimmte keine ihrer Vermutungen. Wie aber sollte sie wissen, ob man sie nicht belog?
„Wer also?“ fragte sie.
„Neutral, Miß Britten. Wir sind, genau wie Sie, Gegner eines atomaren Konfliktes. Wir wissen, daß Ihr Vater sich sträubte, weiter in dieser Richtung zu arbeiten. Wir wissen, welches seine Befürchtungen sind. Wir wissen auch, wie Sie denken – und wir denken ähnlich. Lediglich vertreten wir die Auffassung, daß man die Großmächte zwingen sollte, auf weitere Versuche zu verzichten, ehe es zu spät ist. Wir hoffen, dabei Ihre Unterstützung zu finden.“
Das klang überzeugend – soweit es die Ziele betraf. Ann aber blieb mißtrauisch. Warum trat man ihr nicht offen entgegen, sondern benutzte diese mehr als anrüchige Methode glatter Erpressung? Woher kannte man ihre Einstellung?
„Wie – wie stellen Sie sich das vor?“
„Haben Sie nicht selbst schon oft genug darüber nachgedacht, Miß Britten? Wenn die Regierungen wissen, daß eine neue Art von Mensch im Entstehen begriffen ist, entstanden aus den Trümmern von Hiroshima und der Strahlung nachfolgender Bomben, sollte sie das von der drohenden Gefahr überzeugen. Sicher, Sie stehen allein da und sind somit ein Ausnahmefall. Wer soll wissen, ob nicht bereits eine ganze Organisation besteht? Vor Ihnen allein wird sich niemand fürchten; aber vor einer Organisation von Übermenschen wird selbst die UNO kapitulieren, wenn es sein muß. Man muß sie nur zu überzeugen wissen, daß diese Organisation besteht.“
„Und wie wollen Sie das bewerkstelligen?“
„Das wird unsere Sorge sein. Ihre Aufgabe ist es lediglich, Ihre telekinetische Fähigkeit im geeigneten Moment einzusetzen. Wir sorgen für die entsprechenden Ultimate und kündigen eine Demonstration zum Beweis unserer Macht an. Sie haben nichts anderes zu tun, als diese Demonstration zu veranstalten.“
„Zum Beispiel?“
Er schüttelte den Kopf.
„Wie soll ich das jetzt schon wissen? Vielleicht versetzen Sie die Freiheitsstatue oder lassen einige Diplomaten mit der Maschine abstürzen. Jedenfalls gilt es, den Staaten unseren Willen aufzuzwingen.“
Irgend etwas an seiner Stimme gefiel ihr nicht. Was er sagte, klang
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