TS 72: Das Erbe von Hiroshima
etwas für Sie tun?“
Drake erhob sich.
„Danke, Sie haben alles getan, was in Ihrer Macht stand. Ich lasse mich gelegentlich mal wieder sehen. Vielleicht ändern Sie Ihre Meinung. Ich darf mich verabschieden …“
Als er gegangen war, ließ er ein Gefühl der Unsicherheit in Bob zurück. Der sonst so mißtrauische F. B. I. war für seinen Geschmack zu leicht und schnell über den Brief aus London hinweggegangen. Dann die letzte Bemerkung dieses Drake.
„Was wollte er?“ fragte Marry.
„Wer? Ach so, der …! Vom F. B. I. kam er und wollte wissen, wo Ann sei. Ich machte ihn auf unsere demokratischen Rechte aufmerksam. Sie dürfen Ann nur dann suchen, wenn sie sich etwas zuschulden kommen läßt. Und bis heute gibt es kein Gesetz, das Telekinese verbietet.“
Womit er zweifellos recht hatte.
5.
Am 6. August 1970 wurde Ann 25 Jahre alt.
Ihre wenigen Gäste, einige Krankenschwestern und jüngere Assistenzärzte, waren früh nach Hause gegangen. Sie räumte auf und setzte sich für einige Minuten auf die Couch im Wohnzimmer.
Die vergangenen vier Jahre waren nicht einfach für sie gewesen. Zuerst immer das Gefühl, verfolgt zu werden, bis dieser Komplex sich endlich legte. Dann die Einsamkeit. Sie besaß keine wirklichen Freunde und niemand, dem sie sich hätte anvertrauen können. Fleißig und zuverlässig tat sie ihre Pflicht in dem großen Hospital als eine der namenlosen Helferinnen.
Sie hieß Elionore Smith und war ein einfaches, natürliches Mädchen. Niemand kümmerte sich um sie, und sie konnte in ihrer Freizeit tun und lassen, was sie wollte. Nur der Chefarzt des Krankenhauses, Doktor Sullivan, war in einige Dinge eingeweiht.
Er wußte, daß sie in Wirklichkeit Ann Britten hieß und von Professor Prexler verfolgt wurde, weil dieser in ihr ein geeignetes Medium zu sehen glaubte. Sullivan, ein eingefleischter Realist, hielt die Forschungen der parapsychologischen Institute für Unsinn und war froh, Ann gegen Prexler behilflich zu sein.
Ann spürte Gewissensbisse, wenn sie daran dachte, wie sehr sie die Gutgläubigkeit ihres Chefs ausnutzte. In diesen vier Jahren, die seit ihrer Flucht vergangen waren, hatte sie einsehen müssen, wie berechtigt die Befürchtungen Prexlers waren.
In diesen vier Jahren war Ann Britten zum ersten ausgewachsenen Exemplar des neuen Menschengeschlechtes geworden. Es mochte noch mehr geben, in allen Teilen der Welt und besonders in Japan, aber die Chancen, daß noch jemand die eigenen Fähigkeiten entdeckt und entwickelt hatte, waren zu gering.
Ann hatte drei Jahre benötigt, bis sie mit völliger Beherrschung einen Gegenstand im Zimmer herumschweben lassen konnte. Er blieb an jeder beliebigen Stelle stehen, folgte gehorsam ihren stummen Befehlen und kehrte an seinen Platz zurück. Dieses Experiment ließ sich beliebig oft wiederholen.
Sie wurde mutiger.
Die Nachbarin auf der anderen Straßenseite vermißte eines Abends ihr Bügeleisen. Ann hatte es durch das offene Fenster gesehen und zu sich herübergeholt. Schwerelos war es ihrem Willen gefolgt und dann wieder an seinen Platz zurückgekehrt, zur Verwunderung der Besitzerin, die sich nur einen Augenblick umgedreht hatte.
Ein Bügeleisen war immerhin ein Gegenstand, der selbst mit der Hand nicht beliebig jongliert werden konnte. Die unsichtbaren Energieströme Anns behandelten es wie eine Feder.
Sie wurde neugierig. War ihre Fähigkeit auf das Gewicht beschränkt?
In knapp fünfhundert Metern führte die Bahnstrecke vorbei. Sie konnte einen kleinen Teil von ihrem Fenster aus überblicken. Eines Abends, es war schon dunkel, wartete sie auf den fahrplanmäßigen Zug um 21.37 Uhr. Sie sah die Lichter der Lokomotive und schickte ihren Gedankenbefehl aus. Die Maschine verlangsamte sofort ihre Geschwindigkeit, quälte sich gegen ein unsichtbares Hindernis über die hundert Meter weg und beschleunigte dann.
Ann war ermutigt und enttäuscht zugleich.
Am dritten Abend blieb der Zug stehen.
Das war vor einem Jahr gewesen.
Seitdem hatte sie ununterbrochen an sich gearbeitet und war zu einer Vollkommenheit gelangt, die selbst Professor Prexler verblüfft hätte. Ihre telekinetischen Kräfte reichten über das Sichtvermögen hinaus und sie brachte es fertig, leichtere Gegenstände über viele Kilometer hinweg zu sich heranzuholen. Sie mußte nur den Ort kennen und ihn sich genau vorstellen können.
Die Geburtstagsfeier war nicht gerade anstrengend gewesen, aber sie fühlte sich müde. Es mußte bald neun Uhr
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