TS 74: Der Letzte der Navajos, Teil 2
Wutgefühl, um seinen Entschluß zu bestärken. Aber es wollte sich nicht einstellen. Es war, als könnte er nur noch eines fühlen – Sehnsucht nach dem abgebildeten Land. Doch selbst, wenn es keine Wut mehr gab, um ihn anzuspornen, der Schwur lag schwer auf ihm, und er mußte die Tat, um derentwillen er nach Arzor gekommen war, ausführen.
Storm hatte Logan schon fast vergessen, als sich jetzt der Jüngere von dem Stuhl, den er sich herangezogen hatte, erhob und ganz nahe an das Wandbild herantrat, die Augen auf die windgetriebenen Reiter gerichtet. Ein Schatten von Wehmut lag auf seinem Gesicht, und niemand konnte mehr an seiner Verwandtschaft mit den Männern, die hier abgebildet waren, zweifeln.
„Wie ist es dort?“ fragte er plötzlich. „Was für ein Gefühl ist es, so über das Land zu reiten?“ Dann fiel ihm ein, wie sehr diese Erinnerung schmerzen mußte, und dunkles Rot stieg ihm ins Gesicht. Er blickte mit besorgten Augen zum Bett hinüber.
„Ich habe dieses Leben nicht mehr geführt“, – Storm wählte seine Worte sehr sorgfältig – „seit ich ein Kind war. Zweimal kehrte ich zurück – es war nicht mehr dasselbe. Aber es bleibt, tief in meiner Seele lebt es weiter. Derjenige, der das hier gemalt hat, für ihn lebte es auch. Sogar hier, über weite Sternenfelder hinweg, lebte es für ihn!“
„Für sie“, korrigierte ihn Logan leise.
Storm setzte sich auf, stemmte sich aus den stützenden Kissen hoch. Er konnte nicht wissen, wie hart sein Gesicht geworden war. Er hatte aber keine Gelegenheit mehr, seine Frage zu stellen.
Ein Mann stand in der Tür, der große Mann mit den zwingenden blauen Augen, der Mann, den Storm gesucht hatte, und den er doch nicht finden wollte.
Brad Quade trat an das Fußende des Bettes und sah abschätzend auf den Terraner hinunter. Und Storm wußte, daß dies die letzte Begegnung sein würde. Trotz des eigenartigen Zögerns, das ihn zurückhielt, mußte er die Sache beenden und bereit sein, die Folgen auf sich zu nehmen.
Mit einem Rest seines alten, schnellen Reaktionsvermögens schoß die Hand des Terraners vor, packte das Messer in Logans Gürtel und riß es heraus. Er legte die Klinge über seine Knie, die Spitze drohend auf Brad Quade gerichtet.
Die blauen Augen blieben unbewegt. Der Siedler hatte anscheinend jede Bewegung vorausgeahnt.
Er hatte recht! Quade nahm die Herausforderung an, oder erkannte jedenfalls den Grund dafür an, denn er sprach:
„Wenn Stahl zwischen uns steht, Junge, warum hast du mich dann aus dem Nitra-Lager befreit?“
„Leben gegen Leben, bis zur letzten Abrechnung. Sie schützten mich vor der Klinge im Rücken damals in Irrawady Crossing. Ein Krieger der Dineh zahlt seine Schuld. Ich komme von Na-Ta-Hay. Über Na-Ta-Hay und über seine Familie haben Sie die Schande vergossenen Blutes gebracht – und andere Scham.“
Brad Quade rührte sich nicht, er trat nur einen Schritt näher an das Fußende des Bettes heran. Als Logan sich bewegte, gab er ihm mit der Hand einen befehlerischen Wink, der seinen Sohn an seinem Platz festhielt.
„Es gab und gibt kein vergossenes Blut zwischen Na-Ta-Hays Familie und mir“, erwiderte er nachdrücklich. „Und ganz gewiß keine Schande!“
Storm war wie erstarrt. Er hätte nie gedacht, daß Quade seine Schuld leugnen würde, wenn sie einander gegenüberstanden. Vom ersten Augenblick, als er den Siedler sah, hatte er ihm die Tugend der Ehrlichkeit zugestehen müssen.
„Und was ist mit Nahani?“ fragte er kalt.
„Nahani!“ Quade war verwirrt. Er beugte sich vor, seine großen, braunen Hände umklammerten die Stäbe am Fußende des Bettes. Sein Atem ging schneller, als wäre er einen langen Weg gelaufen. Und Storm konnte nicht die ehrliche Überraschung in seiner Stimme überhören.
„Nahani!“ wiederholte der Terraner mit Nachdruck. Dann fiel ihm eine mögliche Erklärung für die Verwirrung des anderen ein, und er setzte hinzu:
„Oder kannten Sie noch nicht einmal den Namen des Mannes, den Sie in Los Gatos töteten?“
„Los Gatos?“ Brad Quade beugte sich tief hinunter, als drängte es ihn, seine blauen Augen auf eine Ebene mit den dunklen zu bringen, die Storm zu ihm erhob. „Wer – bist – du?“ Er stieß diese Worte einzeln heraus, mit kleinen Pausen dazwischen.
„Ich bin Hosteen Storm, Nahanis Sohn, Na-Ta-Hays Enkel!“
Brad Quade bewegte die Lippen als versuche er, Worte zu formen. Endlich kamen sie:
„Aber er sagte uns – sagte Raquel, daß du tot wärest,
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