TS 79: Der Mars-Robinson
Dann hätte er im Laufe der Wochen und Monate plötzlich eine Rentierherde gesehen. In der Sahara wäre ihm als erstes Lebewesen ein Kamel aufgefallen. Nein, ich konnte mir von diesem Planeten noch kein umfassendes Bild machen.
Doch was würde geschehen, wenn auch diese Lebewesen mit den Jahreszeiten wanderten und plötzlich in der Nähe meiner Rakete auftauchten?
Ich schlief ein, aber meine innere Ruhe war zum Teufel, und ich hatte die wildesten Alpträume.
Als ich aus wilden Träumen erwachend nach der Uhr blickte, war es Mittag oder Mitternacht. Im Inneren der Rakete wußte ich nicht, ob draußen Tag oder Nacht herrschte, da mußte ich immer erst nach der halbvergrabenen Einstiegluke blicken.
Draußen war es hell.
Ich stand auf, und als ich mir ein wenig die Beine vertrat, wär mir, als blicke ein Schatten über meine Schulter. Natürlich war ich allein, aber …
Als Robinson Crusoe zum erstenmal entdeckte, daß seine Insel von Wilden besucht wurde, vergrößerte er seine Höhle und baute die Befestigungsanlage gründlicher aus. Er fürchtete sich vor den unbekannten Menschen. Auch ich richtete mich an jenem Nachmittag auf Verteidigung ein. Ich beschloß, einen elektrisch geladenen Zaun zu bauen und entfernte zu diesem Zweck die Isolierungshülle einiger Starkstromleitungen. Ich befestigte sie an Aluminiumstücken, die ich im Umkreis von rund zwanzig Metern in die Erde gerammt hatte. Ich fand nach kurzer Suche einen Transformator und war in der Lage, den Draht mit fünfhundert Volt Spannung zu versehen. Innerhalb meiner elektrischen Umzäunung würde ich wieder ruhiger schlafen können und sicherer sein als Robinson Crusoe hinter seinem Palisadenzaun.
Dann stieg ich wieder hinein, um mich mit der grünen Frucht zu beschäftigen, die ich von meinem Ausflug mitgebracht hatte. Ich wollte ihren Nährwert im Selbstversuch erproben.
Das Fleisch der Frucht hatte nicht den Salmiakgeschmack, den ich befürchtete, aber es war so sauer wie alle grünen Zitronen der Erde zusammen – und bitter. Im Rohzustand war die Frucht einwandfrei ungenießbar. Aber das Fleisch erinnerte irgendwie an eine Melone.
Die Frucht war so scharf und sauer, daß sich auf dem hellen Aluminiumglanz der Bratpfanne dunkle Flecken bildeten.
Ich öffnete den Medizinschrank und entnahm ihm eine Portion doppeltkohlensaures Natron. Ich schüttete einen Teelöffel voll in die Pfanne und ließ das Fruchtfleisch eine Weile schmoren.
Als ich den ersten Bissen zum Munde führte, kniff ich die Augen zu. Es schmeckte salzig, schien aber eßbar zu sein. Der Geschmack spielte keine Rolle, es kam einzig und allein auf den Nährwert an. Ich schnallte mir die Sauerstoffmaske vor das Gesicht und spazierte einige Stunden draußen herum, wobei ich auf jede Reaktion meines Magens achtete. Aber meine Gesundheit blieb erstaunlicherweise normal. Ich fühlte mich auch gesättigt, hatte aber zum Ausgleich einen grausamen Durst.
Dann fühlte ich mich auch einigermaßen zum Narren gehalten. Mein Vorrat an Früchten war unbegrenzt, was man von dem doppeltkohlensauren Natron nicht behaupten konnte.
Unter den mir noch verbliebenen Vorräten befanden sich auch einige Büchsen Milch. Eine davon hatte ich vor dem Start zu meiner Expedition geöffnet, aber nicht weggeworfen. Ich warf überhaupt nichts weg, denn wer wußte, wozu ich es noch gebrauchen konnte. Auf dem Boden der Büchse hatte sich Schimmel gebildet.
Ich schnitt das Fruchtfleisch in kleine Würfel, die ich innerhalb der Kombüse auf verschiedenen Tellern verteilte. Einige ließ ich wie sie waren, andere legte ich in Wasser, andere in Milch und dann brachte ich auch noch welche mit dem Schimmelpilz in Berührung.
Schade, daß ich kaum einen Bruchteil des Wissens eines Bakterienforschers besaß. Ich wußte nur soviel, daß einige noch unzivilisierte Völkerstämme der Erde ein ähnliches Rezept kannten, um Früchte eßbar zu machen. Immerhin kochten die Eskimos sogar Moosflechten.
Schließlich verrichtete ich die letzte Tätigkeit des kurzen Tages und studierte das Wachstum der Pflanzen. Ich sah, was ich schon weiter nördlich beobachtet hatte: die Blüten verwelkten, dafür hatten sich die ersten kleinen Fruchtknoten gebildet. Ich hielt nach Insekten Ausschau, erspähte aber kein einziges. Die Öffnung des Insektennestes, das ich aufgestochert und dann wieder abgedichtet hatte, war jetzt geschlossen.
Weil meine Versuchsmahlzeit keine gesundheitsschädlichen Folgen zeigte, nahm ich in der Kombüse mein
Weitere Kostenlose Bücher