TS 79: Der Mars-Robinson
tun, was sie tun müssen, um weiterhin am Leben zu bleiben.“
Bevor Vanburg mich wieder unterbrechen konnte, sagte DeLut: „Warum ändern die zur Beute bestimmten Kreaturen nicht ihren Weg? Im Laufe der Generationen müßten sie doch eigentlich etwas klüger geworden sein und dieses Tal vermeiden.“
Daran hatte ich auch gedacht. „Ich weiß es nicht“, sagte ich. „Vielleicht gibt es keine anderen Wege. Ich sah, wie zwei Kreaturen ausscherten, aber sie tappten nur wie blind herum und schlossen sich wieder den andern an. Vielleicht haben Eiis Artgenossen einen geistigen Zwang ausgeübt – eine Barriere errichtet, ähnlich der um die Rakete …“
Vanburg fühlte, daß sein erstes Interview in Abwesenheit des Generals Erfolg hatte und bohrte weiten DeLut half ihm dabei. Vierzehn Tage lang war ich einem Kreuzfeuer von Fragen ausgesetzt, aber Vanburgs Erfolg wiederholte sich nicht.
Dann beteiligte sich der General an der morgendlichen Unterhaltung und stellte fest: „Immerhin haben wir wieder einen Grund mehr zu der Annahme, daß die Marsianer das tun können, was sie getan haben.“
„Und schließlich“, warf DeLut ein, „wird Holder bestätigen können, daß wir tatsächlich auf dem Mars gewesen sind. Ansonst haben wir verdammt wenig Beweise, abgesehen von ein paar Filmaufnahmen, Gesteinsproben und Pflanzen.“
Der General blickte ihn sauertöpfisch an, und in seinen Augen las man den stillen Vorwurf: So deutlich hätten Sie sich auch nicht ausdrücken brauchen.
Ich arbeitete fleißig an meinem Tagebuch.
Zwei Monate später, wir waren noch im Weltraum, aber der Erde schon ziemlich nahe, sagte der General zu uns: „Ich möchte unsere Expedition als erfolgreich bezeichnen. Das nächste Raumschiff zum Mars wird eine größere Kraft- und Treibstoffreserve haben. Es wird landen! Sollten die Marsianer wieder Erdverschiebungen oder sonstiges Blendwerk inszenieren, wird das Raumschiff wieder aufsteigen, sich einen besseren Landeplatz aussuchen und dies so lange fortsetzen, wie es die Umstände erfordern. Auf diese Weise werden wir dem Planeten trotzdem die letzten Geheimnisse entreißen. Das braucht seine Zeit, aber wir werden zum Ziel kommen.“
DeLut sah mich und ich DeLut an. Wir sagten beide nichts.
Unserer Gewohnheit entsprechend, suchten wir auch an jenem Abend die kleine Zwei-Mann-Kabine am Heck des Raumschiffes auf. Dort wurden vorwiegend navigatorische und astronomische Beobachtungen gemacht. Seit Tagen schon war die automatische Steuerung eingeschaltet.
Es war dunkel in der Navigationskabine – und ziemlich kalt. Weit, sehr weit weg konnten wir den von Millionen Sternen umgebenen roten Planeten sehen.
„Glauben Sie, Holder“, sagte DeLut plötzlich, „daß der General und Leute wie er die Marsianer einmal wesentlich beeinflussen werden? Glauben Sie, daß Leute wie wir den Wesen jemals plausibel machen können, daß es noch andere Aufgaben gibt, als nur zu leben und zu sterben?“
„Ich glaube, daß wir unsere Ansichten auch nach hundert Millionen Jahren noch nicht auf einen Nenner gebracht haben.“
„Ich bin Biologe“, sagte er.
Ich wartete auf seine nächsten Worte. Ich hatte Zeit. Ich war zufrieden, den schwarzen Himmel mit seinen hellen Lichtpunkten und dem kleinen roten Planeten zu beobachten, der mir beinahe zum Schicksal geworden wäre.
„Die Marsianer haben keine Konkurrenz in ihrem Lebensbezirk“, sagte DeLut. „Darum bleiben sie, was sie sind. Könnte man von einem Lebenskampf sprechen, würden sie handeln müssen. Doch ohne die irdischen Auffassungen vom Leben müssen sie zwangsläufig degenerieren. Dieser Fall dürfte längst eingetreten sein, und sie sind, trotz ihrer Größe, nur noch ein Schatten dessen, was sie einmal waren.“
Ich blickte in den Weltraum hinaus. Kaum einer von uns würde ein derart faszinierendes Panorama zum zweitenmal erleben …
„Sie sprachen von den irdischen Lebensgesetzen“, sagte ich langsam. „Ist es nicht ein Fehler, wenn wir das ganze Universum nur von dieser Warte aus betrachten?“
„Wissenschaft ist Wissenschaft. Was für einen Platz gilt, das hat auch auf einem anderen Bedeutung!“
„Auch in rein gesellschaftlicher Hinsicht?“ fragte ich.
„Ich versuche darüber nachzudenken. Solange der Mensch einem Ziel entgegenstrebt, ist er aktiv und daher auch lebensstark. Doch wenn er alle Ziele erreicht hat, die es nur irgend zu erreichen gibt, wird seine Energie erlahmen. Zehn Generationen weiter, und die Welt wäre
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