TS 83: Der Mann, der ein Roboter war
was auf eine künstliche Beschaffenheit schließen ließ, wenn er von dem Knochenstück absah, das man ihm nach dem Unfall in die Mittelhand eingesetzt hatte.
Erleichtert atmete er auf. Man konnte zwar ein künstliches Glied ohne weiteres mit einem natürlichen Körper verbinden, aber es wäre höchst unzweckmäßig gewesen, eine natürliche Hand mit allen ihren Unvollkommenheiten an einen Humanoidenkörper zu fügen.
Die Reparaturzentrale war leer, als er mit Joan hinausging.
*
Joan schlug die Augen auf und erblickte als erstes Betty, die ihr eine Tasse mit dampfendem Kaffee entgegenhielt. Joan richtete sich auf und schaute verständnislos um sich, dann blinzelte sie und trank den Kaffee in kleinen hastigen Schlucken. Betty trat zur Seite, als Keith herankam.
„Na, Joan, du machst ja schöne Geschichten!“
„Wo ist Vater?“ fragte sie sofort.
„Wahrscheinlich bei Senator Orlow. Ihm ist er unmittelbar unterstellt und verantwortlich“, antwortete Keith. „Sag mal, Joan, warum hat man dich eigentlich gelähmt?“
„Ich wollte dem grinsenden Polizeioffizier eine Ohrfeige geben“, sagte sie entschuldigend.
„Aber, Joan! Wie soll ein Polizeiroboter zwischen einem tätlichen Angriff auf einen Offizier und einer Ohrfeige unterscheiden können? Du hättest wissen müssen, daß einer der Robots sofort seinen Paralysator aktiviert.“ Keith lächelte. „Ich habe dir kurz vor dem Erwachen eine Dosis FC 7 injiziert. So hast du zwar zehn Minuten länger geschlafen, dafür aber keine Kopfschmerzen.“
Joan griff sich an den Kopf, schüttelte ihn vorsichtig und bestätigte es.
„Danke, Elmar! Kann ich noch einen Kaffee haben?“
Während Keith im Hintergrund mit dem Geschirr hantierte, brachte Joan vor einem Spiegel Haar und Make-up in Ordnung. Sie benutzte diese Gelegenheit, um im Spiegel Betty zu betrachten.
Es gab auf der Erde nur wenige Humanoiden mit weiblichem Äußeren. Roboter heirateten nicht und waren nicht fähig, Nachkommen zu zeugen. Die Gefahr, Eifersüchteleien und Differenzen unter den Menschen zu schaffen, war damit geringer, denn andererseits sah man nicht ein, warum man ein so vollkommenes Geschöpf häßlicher machen sollte.
Im Grunde war Betty nur eine Kombination von Programmierungsmaschine, Mikrophon und Lautsprecher, die man mit einem hübschen Körper verkleidet und mit einem Robotgehirn versehen hatte. Sie stand, wo sie auch weilte, laufend mit Beta 01, dem größten Positronengehirn des Sonnensystems in drahtloser Verbindung, von dem nur ,Betty’ und der Rat wußten, wo es sich wirklich befand.
Ihre eigentliche Aufgabe bestand darin, die meist unvollkommen und individuell verschieden formulierten Aufgaben der Menschen in den eindeutigen und logischen Kode des Positronengehirn zu übersetzen.
Sie galt überall als unantastbar und stand über der normalen Gerichtsbarkeit; einzig der Oberste Rat konnte über ihre Belange verfügen. Als äußeres Zeichen ihrer Immunität trug sie über der dunkelblauen engen Kombination der ,Positronengehirne’ den gelben ponchoähnlichen Umhang der Ratsmitglieder. In der Hand hielt sie den bekannten Stab mit der mattschimmernden, walnußgroßen Kugel an der Spitze. Ausgezogen war das eine Antenne, die es ihr ermöglichte, von allen Punkten der Erde mühelos mit dem eigentlichen Gehirn in Verbindung zu bleiben.
Joan wandte sich um und blickte in die klaren blauen Augen der Humanoidin.
„Sie sind also die berühmte Betty!“
„Ja, Miß Corell! Nun kennen Sie mich ganz genau.“
„Für Ihre vierhundert Jahre sind Sie recht hübsch.“
„Danke. Leider fehlt mir ein logischer Grund dafür, Sie um Ihre Jugend zu beneiden’.“
Keith trat mit der Tasse in der Hand hinzu. „Setzen wir uns. Es gibt im Augenblick wichtigere Dinge als eure Schönheitskonkurrenz.“
Joan trank ihren Kaffee mit einem Behagen, als schlucke sie ihn nicht in den allesverbrennenden Konverter, sondern in einen wirklichen ausgedörrten Magen. Vorsichtig blies sie in die Tasse, obwohl sie ohne Schaden auch kochenden Kaffee hätte trinken können. Keith beobachtete sie sorgfältig, fand aber keinen Fehler in ihrem Verhalten. Sie spielte ihre Rolle ausgezeichnet.
„Joan, ich habe Betty erzählt, was ich mit deinem Vater besprochen habe, einschließlich aller Begleitumstände. Kannst du irgendwelches eigenes Wissen oder Beobachtungen hinzufügen?“
Joan dachte angestrengt nach.
„Ich weiß nur, weswegen Vater verhaftet wurde. Der Polizeioffizier hat es mir
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