TS 83: Der Mann, der ein Roboter war
Ihre Augen glitzerten gefährlich. „Elmar! Ist das ein Mißtrauensvotum?“
„Nein, Joan, nur eine Vorsichtsmaßnahme. Ich persönlich bin überzeugt, daß du niemals deinen Vater hintergehen würdest, aber man könnte dich ausfragen. Wie wäre es, wenn du solange in meinem Haus wohnst, bis sich alles geklärt hat?“
Joan nickte abwesend. „Gut, ich werde …“ Sie unterbrach sich, als Keith seinen Unikom auf Empfang tastete.
Im Raum stand plötzlich die unpersönliche Stimme eines Polizeiroboters. „Dr. Elmar Keith, Bürger von Terra, Senator Andrej Orlow bittet Sie zu einer sofortigen Rücksprache ins Ratsgebäude. Bringen Sie bitte die heutigen Testunterlagen mit und geben Sie Ihren Aufenthaltsort an.“
„Institut für Humanoidenentwicklung, Uberwachungszentrale, Labor Keith“, antwortete Keith sofort.
„In einer Minute erwartet Sie ein öffentlicher Schrauber auf dem Dach. Bitte benutzen Sie unsere Landefläche sechzehn.“
„Gut, ich komme.“
Die Taste sprang zurück.
Im selben Augenblick erstarrte Betty. Dann blickte sie auf Keith. „Ich habe die gleiche Order“, sagte sie. „Wir können zusammen fliegen. Joan, möchten Sie den anderen Schrauber benutzen?“
Joan nickte und schaute ihnen schweigend nach.
Das grobgeschnittene knochige Gesicht des Senators war zu einer zornigen Grimasse verzogen. Seine ungewöhnlich tiefe Stimme klang gereizt, war aber verhältnismäßig leise.
„Dr. Keith, ich will Ihnen keinen Vorwurf machen, daß Sie die Umstellung der Humanoidengehirne nicht bemerkt haben. Ich weiß, daß die eingebauten Emotionen kein verändertes Bewußtseinszentrum erfordern. Ich weiß auch, daß die Emotionen keinen Einfluß auf die Loyalität der Humanoiden haben, aber ebensogut weiß ich, daß die Humanoiden nunmehr gewissermaßen Blut geleckt haben, und daß wir ihnen ohne ihr Einverständnis die Gefühle nicht wieder ausbauen können. Ja, wir sind nicht einmal imstande, die Produktion wieder auf die ursprünglich geplanten gefühllosen Humanoiden umzustellen. Aber wir werden dafür sorgen, daß der Urheber dieser verfahrenen Geschichte seine verdiente Strafe bekommt.“
„Orlow, erlauben Sie mir trotz allem, darauf hinzuweisen, daß Professor Corell nicht aus eigennützigen Motiven, sondern aus mißverstandenem Verantwortungsgefühl gehandelt hat.“
Aus dem Dunkel des Hintergrundes leuchtete matt das unbewegte Gesicht des Obersten Rates Yamura Takata. Seine bisher geschlossenen Augen waren einen winzigen Spalt weit geöffnet, und der Widerschein einer Glastür machte sie schimmern wie eine radioaktive Substanz. Keith unterdrückte den Wunsch, dies mit dem eingebauten Zähler seines Unikoms nachzuprüfen.
Auf Orlows Stirn traten die Adern hervor. Seine Stimme dröhnte gefährlich.
„Keith, sagten Sie Verantwortung? Verantwortung? Ich sage Ihnen, er ist gewissenlos wie ein Sklavenhändler. Die Humanoiden waren bisher durch ihre Intelligenz eine Gefahr, wie es etwa eine Bombe ohne Zünder ist. Corell aber hat die Bombe mit einem Zünder versehen, und noch dazu mit einem unberechenbaren Zeitzünder! Sind Sie sich über das Risiko im klaren? Wie leicht kann jetzt einer dieser Burschen auf den Gedanken kommen, mit seinen Fähigkeiten in die eigene Tasche zu wirtschaften.“
„Sie vergessen eines, Orlow. Die Humanoiden besitzen neben ihren Emotionen mehr Verstand und Vernunft, als je ein Mensch besessen hat. Der Mensch ist seit Jahrhunderten bemüht, mit Hilfe seines Intellektes die tierischen Überbleibsel seiner Evolution abzustreifen. Der Humanoid hat mehr als genug die Kraft dazu, und den Willen, es zu tun. Warum sollte er bewußt auf unsere Stufe herabsteigen, wenn wir im Begriff sind, den Schritt nach oben zu tun?“ Keith blickte gelassen zurück, als Orlow ihn durchdringend anstarrte.
„Es gibt überall Fehlschläge, Dr. Keith, ein einziger kann mehr zerstören, als wir in Tausenden von Jahren aufzubauen vermögen.“
„Ist Ihnen jemals eine humanoide ,Mißgeburt’, ein ,psychopathischer’ Humanoid begegnet? Haben Sie auch nur je davon gehört?
Bedenken Sie, wir haben bisher fast hundert Millionen Exemplare gebaut. Ein erstaunliches Ergebnis, möchte ich sagen. Und wäre es wirklich einmal der Fall, was könnte ein humanoider ,Geisteskranker’ gegen hundert Millionen loyaler Rassegenossen ausrichten?“
Orlow hatte sich beruhigt. Er wurde fast freundlich. „Ihre Argumente sind nicht von der Hand zu weisen, Dr. Keith. Ich werde sie mir merken. Dennoch
Weitere Kostenlose Bücher