TS 83: Der Mann, der ein Roboter war
Würden Sie bitte noch einige Minuten warten? Ich brauche nämlich einen Zeugen für die Durchsuchung dieses Raumes.“
Keith nickte, und der Offizier durchforschte das Arbeitszimmer Corells, ohne jedoch etwas Verdächtiges zu finden. Er ließ dann das Durchsuchungsprotokoll von Keith unterschreiben, grüßte militärisch und ging.
Nach einiger Zeit folgte Keith dem Leutnant.
Vor der Tür stieß er beinahe mit Joan zusammen, die ihn mit leeren Augen anstarrte und wie ein historischer Roboter weitergehen wollte. Er kannte die Wirkung eines Paralysators und zog sie sanft am Arm auf das Dach hinaus. Sie setzte sich auf seinen leisen Handdruck gehorsam in den Schrauber und rührte keinen Muskel, als er seinen Unikom abstreifte und in ihre Hand legte.
Dann rannte Keith wieder nach unten und durchsuchte in fieberhafter Eile, aber mit erstaunlicher Systematik, das ganze Haus und die wenigen Stellen in Corells Arbeitszimmer, die der Leutnant übersehen hatte. Aber auch er fand nicht das geringste, was irgendwie im Zusammenhang mit Betty oder der veränderten Humanoidenserie stehen konnte.
Joan saß ebenso steif da wie er sie verlassen hatte. Sie war bleich und unbeweglich wie eine marmorne Statue.
Mit wenigen Griffen tastete er die Schrauber-Automatik auf das Entwicklungszentrum. In den Sessel zurückgelehnt, zündete er sich eine Zigarette an und überdachte noch einmal das Gespräch mit Corell. Irgend etwas stimmte da nicht. Irgendein unlogischer Faktor hatte den Ablauf bestimmt. So unvernünftig konnte ein eiskalter Rechner wie Corell nicht handeln. Keith hatte den Eindruck, als sei das ganze Gespräch eine Komödie, eine Farce gewesen, in der er eine ganz bestimmte Rolle übernommen hatte, ohne es jedoch zu wollen.
Und Keith fragte sich, wer ihm wohl diese Rolle, und aus welchen Gründen, aufgezwungen hatte. Er war noch zu keinem eindeutigen Resultat gekommen, als der Schrauber aufsetzte. Drei Dinge waren nun zu tun, und Keith führte sie mit der Sicherheit und der Präzision einer Maschine aus:
Ein kurzer Befehl bannte Joan auf die Liege.
Keith nahm den defekten Unikom aus ihrer Hand und ging in die Testzentrale. Dort legte er die ,Eingeweide’ des Instrumentes unter das Radioskop und sichtete sie langsam durch. Nach knapp vier Minuten stoppte er die Maschine und spannte einen bleistiftähnlichen Stab in die Fassung am Arm eines Roboters. Die Spitze des Stabes erschien auf dem Bildschirm in tausendfacher Vergrößerung. Sie war ein Bündel von winzigen Werkzeugen, die mit äußerster Sorgfalt eine Metallfaser lösten, mit der ein Relaiskristall kurzgeschlossen war.
Keith schaltete den Roboter aus und lehnte sich nachdenklich in den Hygrosom zurück. Um 6,9 war der Unikom noch in Ordnung gewesen. Er rekonstruierte den vergangenen Abend.
Joan hatte um 6,9 angerufen, und die Verbindung war zu dieser Zeit noch korrekt. Gleich danach hatte er Jerry herbeizitiert. Auch dieser Anruf verlief noch normal. Von da an mußte jemand den Unikom vertauscht haben. Daß der Apparat unter dem Radioskop zwar auf seine Kombination eingestellt, jedoch keinesfalls sein eigener war, stand fest.
Einen derart gezielten Eingriff in das winzige Instrument konnte auch ein Spezialist nicht ohne aufwendige technische Hilfsmittel ausführen. Überdies benötigte er mindestens fünfundzwanzig Minuten dazu, und so lange hatte Keith den Unikom nicht abgelegt.
Der Umtausch mußte folglich auf dem Weg vom Testinstitut zu Corell vorgenommen worden sein. In dieser Zeit hatte Keith das Instrument nur einmal abgelegt, und zwar, als er sich die Hände nach dem Waschen vibromassiert hatte. Ein Unikom war zwar wasserdicht, gegen Schwingungen aber relativ empfindlich. Für knapp zwei Minuten hatte Jerry das Ding in der Hand gehalten. Nur Jerry kam für den Umtausch in Frage, nur er hatte Gelegenheit dazu.
Jerry – ein Verräter? Das war kaum vorstellbar. Jerry war einer von Corells bevorzugten Freunden. Alle Grundregeln der Ratiopositronik müßten neu erarbeitet werden, sollten sich menschliche Emotionen stärker als die Vernunft erweisen.
Wenn Jerry kein Verräter war, dann mußte Corell selbst den Auftrag dazu gegeben haben. Aber das wäre höchst unlogisch. Keith ließ die Frage vorläufig offen.
Er blickte zur Wanduhr. Es war fast 9,8. Die Wirkung des Lähmers mußte noch mindestens zwanzig Minuten andauern, wenn Joan nicht simulierte. Er setzte den Unikom wieder zusammen und rief die Zentrale Reparaturkommission an.
„ZZ 96 – 914
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