TS 83: Der Mann, der ein Roboter war
um Zeit zu gewinnen.
„Es wurde eine Modulebene planmäßig derart geändert, daß bei Erreichen eines noch unbestimmten Spannungspotentials der Corelischen Emotionaläquivalenten die Sektoren Logik sowie die Siebsektoren I, II, IV, V, VI und IX der Robotikgrundgesetze zum Teil reduziert, zum Teil blockiert werden. Das heißt: ein Humanoid mit diesem Modul würde nach Erreichen einer bestimmten Reizschwelle unlogisch und auf Befehl verbrecherisch handeln können. Er könnte beispielsweise als Kampfroboter eingesetzt werden. Der Täter ist noch nicht ermittelt. Die Untersuchungen, ob weitere Moduln der laufenden Serie derart verändert worden sind, sind zur Zeit noch im Gange. Ich erwarte Ihre Anweisungen.“
Orlow schwieg erschrocken. Dann hob er fast beschwörend die Hände und flüsterte mehr als er sprach: „Keith, sagen Sie mir um Himmels willen eines: ist das Ihre Antwort auf mein Angebot?“
„Ich sagte nein, Orlow. Ich meinte es auch!“ Keith sprach langsam und akzentuiert.
Orlows Gesicht wurde für einen Augenblick lang ratlos. Er fing sich aber sofort wieder und dröhnte: „Planmäßig vorgehen! Komme sofort persönlich!“
Der Schirm wurde dunkel. Keith tastete die Nummer der Wachzentrale und wiederholte automatenhaft eintönig:
„Nach A 00 planmäßig vorgehen. Zentrale bleibt kommissarisch mein Kontrollraum. Senator Orlow kommt umgehend persönlich und übernimmt die Leitung.“
„O. K. Doktor Keith!“
Als er aufschaute, stand Betty neben ihm. Sie sagte nur ein Wort. „Takata!“
„Ich denke das gleiche“, antwortete Keith.
„Es tut mir leid, Doktor Keith! Das war die unbekannte Größe in unserer Kalkulation. Jetzt können Sie natürlich das Institut weder durch den Hauptausgang noch durch die Reparaturzentrale verlassen. Die Sicherheitsschotts verwehren selbst einer Maske den Durchgang. Wenn Sie mich um Rat fragen … versuchen Sie ungesehen mein Zimmer zu erreichen. Ich halte hier die Stellung, bis Orlow kommt.“
Keith zögerte keinen Augenblick. Das Ungewöhnliche dieser aktiven Hilfeleistung registrierte er als Verhaltensspezialist genau, nicht aber das rätselhafte Lächeln Bettys.
*
Sie kamen zu fünft und hatten ihn eingekreist. Jeder trug einen Strahler in der Hand.
Keith wußte sofort, daß ein Fluchtversuch sinnlos war. Die Wahrscheinlichkeit eines Durchbruchs stand in keinem tragbaren Verhältnis zu dem Risiko, und er unterschied recht genau zwischen Kühnheit und Unvernunft.
Sie trugen die dunkelgrauen Uniformen der Regierungspolizei. Wortlos nahmen sie Keith in ihre Mitte, banden ihm einen schwarzen Plastikbeutel über den Kopf und führten ihn auf das Dach. Dort half man ihm zuvorkommend in einen Polizeischrauber.
Der Mummenschanz erfüllte kaum seinen Zweck. Keith konnte zwar weder sehen noch hören, aber aus der Richtung des Einsteigens folgerte er die Stellung des Schraubers und daraus wiederum die Startrichtung. Am Federn der Maschine fühlte er, daß außer ihm nur noch die fünf Polizisten zustiegen. Ein Humanoid war nicht darunter; dies schloß die äußerst formlose ,Verhaftung’ aus.
Am Start erkannte Keith mühelos, daß man mit der Automatik flog. Weit über tausendmal mochte er schon mit der Automatik vom Institut zum Regierungsviertel geflogen sein, und es bereitete ihm eine kindliche Freude, jede Kurskorrektur vorauszuschätzen.
Als der Schrauber aufsetzte, war Keith nahezu sicher, auf das Dach des Ratsgebäudes zu klettern.
Man nahm ihm die Plastikkappe in einem kleinen Verhörzimmer ab, nachdem einer der Offiziere sorgfältig seine Kombination und den weißen Kittel nach Waffen abgesucht und dabei den Unikom beschlagnahmt hatte. Dann ließ man ihn allein.
Keith hatte gerade die zweite Zigarette geraucht, als Takata hereintrat. Sein asiatisch geschnittenes Gesicht zeigte ein liebenswürdiges Lächeln. Er verneigte sich leicht. „Guten Tag, Doktor Keith. Verzeihen Sie bitte vielmals meine formlose Einladung und die Verspätung meiner Entschuldigung dafür. Dringende Regierungsgeschäfte, Sie wissen doch! Der Grund meiner Einladung? Nun, ganz offen: ich brauche Ihre Mitarbeit.“
„Ich bin bereits seit meinem sechzehnten Lebensjahr Mitarbeiter der Regierung, mithin genau die Hälfte meines Lebens. Was ist denn so dringend und geheim, daß Sie mich von fünf Polizisten beschützen und mit einer Tarnkappe unkenntlich machen mußten?“
Takatas Gesicht wurde ernst. „Lassen wir das Geplänkel“, sagte er kurz. „Nicht die Regierung,
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