TS 83: Der Mann, der ein Roboter war
qualifizieren muß.“
Der alte Mann bemerkte Keiths Ungeduld nicht, denn dieser beherrschte sich ausgezeichnet.
„Es freut mich für Sie, mein Herr, daß Sie eine Stellung gefunden haben, in der Humor und Lachen noch gefragt sind. Die meisten Kinder wissen schon gar nicht mehr, was Lachen überhaupt ist. Ich sehe es ja täglich an meinen Enkeln. Sind Sie einer der neuen Typen?“
„Ich bin ein ZZ 99“, antwortete Keith noch immer geduldig.
„Oh, das wußte ich noch gar nicht. Ich meine, daß es diesen Typ schon gibt. Sehen Sie, man lernt eben nie aus. Also ein Corellischer Typ? Was ist denn Ihre Besonderheit? Man sagt, Sie hätten menschliche Gefühle?“
Jetzt wurde es Keith zuviel. Mit liebenswürdigem Gesicht erklärte er: „Sie haben richtig gehört, Bürger Grabow. Wir haben wirklich menschliche Gefühle, ohne aber dabei das Gefühl verloren zu haben, das unseresgleichen seit Generationen mit besonderer Sorgfalt pflegen: das Taktgefühl.“
Thomas Grabow blinzelte verblüfft und versuchte in Keiths Gesicht zu lesen, ob die Worte eine Anspielung sein könnten. Aber Keiths Lächeln blieb unverändert wie zu Beginn der Unterhaltung.
Da wandte sich der Alte mit einer gemurmelten Floskel um und schlurfte davon.
Keith unterdrückte das Mitgefühl mit dem Alten und überzeugte sich, daß keine Zuhörer in der Nähe waren. Dann schloß er sich in die Abhörkabine ein, zog sein Unikom aus der Brusttasche und tastete Bettys Rufnummer.
„Beta 01, Sie wünschen bitte?“ kam ihre Stimme sofort höflich und leidenschaftslos.
„Ihnen nochmals einen guten Morgen, Betty! Hier ist Keith. Schade, daß man Sie nie beim Schlafen erwischt.“
„Wo befinden Sie sich zur Zeit?“
„Regierungsgebäude – Bibliothek – Abhörkabine 184 – allein“, antwortete Keith im Telegrammstil.
„Wer ist es, Doktor Keith?“
„Orlow.“
„Ich war nicht ganz sicher.“
„Hören Sie, Betty, ich habe die Absicht, ganz normal meine Arbeit fortzusetzen, so als ob nichts geschehen wäre. Wenn das Institut nicht überwacht wird, hätte ich meiner Überlegung nach dort am ehesten die Chance, einer Verhaftung zu entgehen. Orlow wird sich hüten, etwas zu unternehmen. Ich habe aber Bedenken wegen Takata. Stimmen Sie mit mir überein, Betty?“
„Völlig. Das Institut wird – soweit ich es übersehen kann – nicht beobachtet. Benutzen Sie die Subway bis zu einem Schrauberplatz am Rande der Stadt. Entledigen Sie sich Ihres alter egos erst, wenn Sie im Schrauber sind, und betreten Sie ganz offiziell das Institut.“
„Mit Arbeitskarte?“
„Lassen Sie sich ruhig auch registrieren. Die Unbekannte ,Takata’ ausgeklammert, sind Sie hier bis heute abend sicher.“
„Danke, Betty. Ich bin in einer halben Stunde dort.“
*
Am Himmel zeichnete sich der Morgen ab. Die Frühschicht von 2,0 bis 4,0 war noch immer die beliebteste, war man dann doch zur Frühstückszeit fertig und hatte fünf ganze Stunden Zeit, um im Sommer ans Mittelmeer, im Winter in die Alpen oder ins Nordland zu fliegen und gegen 9,0 wieder zurück zu sein.
Keith steckte eine weiße Einheit in den Automaten an der Sperre, und für die Dauer seines Passierens erlosch die robotgesteuerte Strahlenschranke. Zuerst hatte er sich Gedanken gemacht. Von allen Seiten streiften ihn mißtrauische und feindliche Blicke. Es wurde ihm zum erstenmal die tiefe Kluft zwischen Mensch und Humanoid bewußt. Früher hatte er nie so genau darauf geachtet.
Ohne daß ein Laut den Zug angekündigt hatte, erlosch plötzlich das Flimmern über dem Tunneleingang. Der geschoßförmige Triebwagen tauchte auf und kam beinahe lautlos zum Stehen.
Die Züge fuhren im Minutenabstand, aber die häufige Ablösung an den Arbeitsstätten erforderte einen größeren Verkehr als je zuvor.
Keith hatte noch einen Sitzplatz gefunden, doch stellte sich sofort ein junger Mann vor ihn hin und musterte ihn mit finsterem Ausdruck. Die Blicke der übrigen Mitfahrenden hefteten sich augenblicklich feindselig auf Keiths Stirn. Ein dicker älterer Mann ließ mit seinen behaarten Fingern eine schmierige Aktentasche los, fuchtelte in der Luft herum und schimpfte auf die Humanoiden.
„Arrogantes Volk, diese Supermänner! Unsereins muß sich abschinden, aber die sitzen überall herum und halten kluge Reden. Alles wissen Sie besser! Wozu muß eine Maschine sitzen, frage ich Sie?“ Er schaute beifallheischend in die Runde.
Der junge Mann grinste ihn erfreut an. „Wir müssen hart arbeiten, um
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