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TS 83: Der Mann, der ein Roboter war

TS 83: Der Mann, der ein Roboter war

Titel: TS 83: Der Mann, der ein Roboter war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schenk
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in seine Moduln einbrennen: ‚Bin ich ein lebendes Wesen?’
    Keith fühlte mehr als er es wußte, daß diese Frage nur von ihm selbst beantwortet werden konnte. Sie war gleichbedeutend, ja, sie war identisch mit der Frage: ,Kann ich lachen?’ und er wußte, daß er es nicht konnte, obwohl seine Muskeln es ebensogut vermochten, wie sein Körper imstande war, ein gesundes, menschliches Kind zu zeugen.
    Joan war eingeschlafen, und Keith fragte sich, worum er sie mehr beneidete: um die Fähigkeit schlafen und vergessen oder lachen zu können.
    „… sterben, schlafen … vielleicht auch träumen … das ist ein Ziel, aufs innigste zu wünschen …“
    Er murmelte es vor sich hin, als er sich auf Zehenspitzen lautlos in den Garten stahl.
     
    *
     
    Draußen dämmerte es, und mit der hereinbrechenden Nacht fiel ein dichter, schwerer Frühsommerregen. Am Rande des Weges flossen kleine Bäche, und das Rauschen des Regens wurde nur durch Keiths leichte Schritte unterbrochen. Er atmete die reine feuchte Luft ein und den Duft des gelöschten Staubes, tief und hastig wie ein Ertrinkender.
    Er wurde naß. Das Wasser rann ihm am Hals entlang in den Nacken, unter die wasserdichte Kombination. Trotzdem blieb er stehen und strich mit den Händen unsagbar vorsichtig über die Blüten einer Jasminhecke, deren betäubender Duft eine unsichtbare Hülle um die Sträucher legte. Er trank das silberne Gleiten der Tropfen über die dunklen Blätter tief in die schönheitsdurstigen Augen und konnte sich daran nicht sattsehen.
    Keith erlebte den Ursprung des Glaubens, des gläubigen Vertrauens auf den Menschen, auf seinen Schöpfer, und er fand Trost allein bei dem Gedanken, daß es etwas so Wunderbares, so Schönes gab wie das Leben, obwohl er es selbst nie erreichen konnte.
    Er fand den inneren Frieden wieder im Aufschauen zu einem Wesen, das vollkommen war. Was Gott für den Menschen, wurde der Mensch für Keith.
    Er würde diesem Menschen dienen, soweit er irgendwie dazu fähig war. Und Keith erschuf sich selbst die Grundgesetze der Robotik. Sie waren identisch mit den Gesetzen seiner Vernunft. Seine Emotionen aber entdeckten die Liebe zum Menschen.
    Keith war versucht zu lächeln, als er langsam den Weg zu seinem Haus zurückschritt.
     
    *
     
    Der Große Sitzungssaal im Regierungsgebäude war überfüllt. Polizeiformationen und Roboter sperrten die Eingänge ab. Der Saal mit seinen ansteigenden kreisrunden Zuschauerrängen glich einem griechischen Amphitheater. Gedämpftes Murmeln, taghelles Licht aus der Deckenkuppel, Rascheln von Kleidung vermittelten die Atmosphäre einer großen Premiere.
    Die zentrale Aufnahmekugel mit ihren Hunderten Facetten sank langsam tiefer und richtete sich aus. Niemand vermochte zu erraten, welches von den Objektiven und Mikrophonen der TV-Kugel gerade auf Sendung geschaltet war. Keith hatte schon oft auf dem Panoramaschirm bewundert, mit welcher Präzision selbst die Gesichter in den hintersten Reihen überlebensgroß auf den Schirm geholt werden konnten, mitsamt den heimlich geflüsterten Worten, die eigentlich nur für den Nachbarn bestimmt waren.
    Er saß mit Joan in der vordersten Reihe der Zuschauerränge. Ihr Gesicht war blaß und übernächtig, die Augen blickten abwesend auf das farbenfreudige Halbrund vor ihnen. Plötzlich spannte sich ihr Blick, die Menschen erhoben sich.
    Im Zentrum unter der Aufnahmekugel bewegte sich das riesige runde Symbol des Obersten Rates auf dem Boden irisförmig auseinander und gab eine Öffnung von etwa zwölf Metern Durchmesser frei. Eine Plattform stieg langsam herauf und verschloß genau die runde Öffnung. In ihrem Mittelpunkt standen drei Menschen und drei humanoide Roboter, neben jedem ein Hygrosom und ein Tisch.
    Professor Corell stand mit zuversichtlicher Miene neben seinem Generalverteidiger. Daneben der humanoide Berater. Etwas abseits die Sachverständigen und Zeugen der Anklage: Dr. Soltikow, ZZ 97 – 000 017 und Beta 01. Die zehn Mitglieder des Obersten Rates standen am Rande. Sie verteilten sich auf ihre kreisförmig um die Plattform gebauten Sitze, und gleichzeitig bildete sich an den Fugen der Öffnung eine kaum sichtbare Strahlenwand.
    Die Zuschauer setzten sich.
    Mit leiser Stimme verlas der Älteste Rat, Raymond d’Auville, die Anklage wegen Verbrechens gegen das Gesetz zum Schutze der Freiheit. Er schloß mit den mahnenden Worten:
    „Keiner von uns hat je einen auch nur annähernd so schwerwiegenden Prozeß erlebt. Versuchen wir, die

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