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TS 83: Der Mann, der ein Roboter war

TS 83: Der Mann, der ein Roboter war

Titel: TS 83: Der Mann, der ein Roboter war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schenk
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Erfahrung, die zu einem Urteil dieser Schwere notwendig wäre, durch Besonnenheit, vorsichtiges Abwägen und durch größtmögliche Objektivität zu ersetzen.“
    Es folgten die fast zweistündige Vernehmung zur Person, zur Straftat, die Befragung der Anklagezeugen, die Gutachten der Sachverständigen. Zeugen der Verteidigung waren nicht geladen. Coreli beabsichtigte seine Verteidigung selbst zu führen und benötigte die beiden Verteidiger nur zur juristischen Beratung. Auf Zeugen hatte er verzichtet.
    Die Sitzung ähnelte in ihrer Art eher einem akademischen Colloquium als der früher üblichen formellen Verhandlung; ihr Höhepunkt sollte jedoch nach wie vor die Rede des Verteidigers sein, und das nicht allein, weil hier Verteidiger und Angeklagter identisch waren. Sie begann nach der Mittagspause.
    „… zum genauen Verständnis der mir zur Last gelegten Verbrechen ist eine Skizze der augenblicklichen politischen Situation unumgänglich.
    Seit fast sechseinhalb Jahrhunderten bedient sich die Menschheit eines Helfers, ohne den die heutige Zivilisation und Kultur undenkbar wären: des selbstbewußten humanoiden Roboters, kurz des Humanoiden.
    In diesen Jahrhunderten vervollständigten sich die Humanoiden jedoch auch selbst so weit, daß sie uns heute sowohl physisch als auch geistig und ethisch absolut überlegen sind. In steigendem Ausmaß ersetzten deshalb die Menschen ihresgleichen durch Humanoiden, und heute ist diese soziologische Verschiebung so weit über das potentielle Gleichgewicht hinaus vollzogen, daß aus dem ehemaligen Werkzeug des Menschen eine Schicht geworden ist, die des Menschen nur noch als unvollkommenen Mitarbeiters bedarf.
    Die Menschheit hat das genauso gut erkannt wie der Humanoid selbst. In Kenntnis dieser ihrer Unzulänglichkeit resigniert sie, und wer nur ein wenig von Massenpsychologie versteht, weiß, welche Folgen dies hat: statt mehr zu können versucht sie nun, mehr zu sein. Sie haßt den Humanoiden und versucht ihn zu erniedrigen, wo sie ihn nicht erreichen kann. Die Folge: Streik, Ausschreitungen.
    Aus diesem Dilemma führen drei Wege.
    Der erste: alle Humanoiden werden vernichtet. Ein Weg, der durchaus gangbar ist. Wir wären gezwungen, mit allen unseren Aufgaben allein fertig zu werden, und das würde eine Initiative erfordern, die den Rückschritt der rein menschlichen Kultur und Zivilisation aufzuhalten und reversibel zu machen imstande wäre.
    Aber: dieser Weg widerspräche allen unseren Auffassungen von Vernunft und Fortschritt. Und: wir würden ein Gesetz brechen, das den Humanoiden das Recht auf Leben sichert.
    Der zweite Weg: wir verzichten freiwillig auf ihre Fähigkeiten und befehlen ihnen auf Grund des zweiten Grundgesetzes der Robotik und auf Grund des dritten Absatzes des ersten absolute Untätigkeit.
    Dieser Weg bringt aber niemals eine Lösung unseres Problems, denn ihre ständige Gegenwart und Bereitschaft bildet die stete Gefahr eines Rückfalls in unseren bisherigen Fehler.
    Es bleibt der dritte Weg: wir geben ihnen eine Welt und entlassen sie aus unseren Diensten. Das Universum bietet Raum genug für sie, zumal ihre Lebensbedingungen weit weniger beschränkt sind als die unseren. Es bliebe die Gefahr, daß sie eines Tages sich selbst Emotionen schaffen, daß sie sich Gehirne bauen, deren Fähigkeiten und Willen durch die drei ersten Grundgesetze der Robotik keine Grenzen gesetzt sind. Mit anderen Worten: daß sie uns eines Tages als hoffnungslos überlegene Feinde gegenüberstehen.
    Um das zu vermeiden, beging ich meine Verbrechen.“
    Corell hielt einen Augenblick inne. Er wischte sich die Schweißtropfen von seinem Kahlkopf und ließ sich einen kalten Drink kommen. Dann fuhr er leise fort:
    „Ich muß hier bemerken, daß die Anklage des Gerichtes teils falsch, teils unvollständig ist. Ich habe im ganzen nur drei Humanoiden mit den von mir entwickelten Emotionaläquivalenten versehen: das Positronengehirn Beta 01, den Humanoiden ZZ 97 – 000 017 und einen weiteren, auf den ich noch zu sprechen komme. Die achtzigtausend Humanoiden, von denen heute vormittag die Rede war, besitzen nach wie vor ein gefühlloses, absolut vernünftiges Gehirn.
    Ich kann aber nicht vermeiden, der Anklage gegen mich noch zwei weitere Verbrechen hinzuzufügen: ich habe einen nicht gekennzeichneten Humanoiden gebaut, und schwerer noch: ich habe den drei erwähnten Humanoiden die ersten drei Grundgesetze der Robotik gelöscht.“
    Die Menge verharrte einen Augenblick in eisigem

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