TS 85: Endstation Zukunft
Sie?“ fragte Mallory schließlich mit leiser Stimme, die deutlich sein Unbehagen spüren ließ.
Während er das sagte, bemerkte er, daß seine Uhr um zwanzig nach elf stehengeblieben war, während die alte Wanduhr deutlich fünfundzwanzig nach elf zeigte – das hieß also, daß er entweder fünf Minuten oder vierundzwanzig Stunden geschlafen haben mußte …
Ihre Altstimme wirkte wie ein Beruhigungsmittel auf seine überreizten Nerven.
„Es ist ganz natürlich, daß Sie sich unbehaglich fühlen“, sagte sie mit leiser Stimme. „Deshalb wollte ich auch, daß Sie langsam und allmählich aufwachen – um den Schock zu mildern … Bitte, sehen Sie in meine Augen!“
Mallory tat es sofort und hatte das Gefühl, als ob er in einen tiefen, ruhigen Waldsee blicke. Dann hatte er keine Angst mehr und wartete auf ihre Erklärung.
Sie lächelte ihn an. „Jetzt fühlen Sie sich doch schon besser, nicht wahr?“
Er nickte. „Wer sind Sie?“ fragte er nochmals, aber diesmal ohne einen ängstlichen Ton in der Stimme.
„Bevor ich Ihnen das erkläre, möchte ich Sie um etwas bitten: Es wäre am besten, wenn Sie mich und alles, was damit zusammenhängt, als einen besonders lebhaften Traum ansehen würden. Ein Traum – und nicht mehr … Können Sie sich vorstellen, daß Sie träumen?“
Er sah nochmals in ihre Augen.
„Wenn Sie es für notwendig erachten“, sagte er dann ruhig, „werde ich glauben, daß ich nur träume.“ Er zeigte auf die Leinwand. „Wie Sie sehen, hat mich Ihr Erscheinen aber nicht völlig überrascht, weil ich nicht ganz unvorbereitet war.“
Sie folgte seinem Blick und lächelte leicht. „Ich mußte Sie natürlich schon ein bißchen auf mich vorbereiten – wenigstens im Unterbewußtsein“, erklärte sie dann. „Ihr Unterbewußtsein war schon lange auf diese Möglichkeit vorbereitet, bevor Sie sie tatsächlich erleben konnten.“
Das Mädchen lachte amüsiert, als er sie skeptisch ansah. „Sie wollen aber doch nicht bestreiten, daß zwischen Ursache und Wirkung ein gewisser Zusammenhang besteht?“
Er schüttelte den Kopf. „Ich glaube aber trotzdem, daß es noch so etwas wie einen freien Willen gibt.“
Sie sah wie zufällig auf Mallorys Pfeife, die auf dem Boden lag. Er folgte ihrem Blick – und erinnerte sich wieder an den Latakia.
„Hatte der Tabak etwas damit zu tun?“ fragte er neugierig.
Das Mädchen lachte leicht. „Vielleicht“, antwortete sie.
Mallory hatte das Gefühl, als habe er sich lächerlich gemacht.
Dann wurde sie plötzlich sehr ernst. „Vor allem müssen Sie zuerst davon überzeugt sein, daß es verschiedene Zeiten sind, in denen wir leben.“ Sie machte eine Pause und beobachtete die Wirkung ihrer Worte.
Er brauchte einige Sekunden, um sich von seiner Überraschung zu erholen. „Wollen Sie damit sagen, daß Sie in die Vergangenheit gehören?“
Das Mädchen sah ihn einen Augenblick lang erstaunt an. „Nein, Mr. Mallory“, antwortete sie dann und lächelte wieder, „aber ich fürchte, daß Sie dorthin gehören …“ Sie sah ihn ernst an und fügte hinzu: „Ich weiß nämlich zufällig, daß Sie schon vor hundert Jahren gestorben sind!“
Mallory wußte, daß sie recht hatte, nachdem er einen Blick aus dem Fenster geworfen hatte.
Bis zwanzig Minuten nach elf Uhr – das heißt bis zu dem Zeitpunkt, an dem er eingeschlafen war – hatte er von seinem Atelier aus einen weiten Blick auf Wiesen und Wälder gehabt. Jetzt sah er einen riesigen Flugplatz, und in der Ferne erhoben sich glänzende Halbkugeln – die Flugzeughangars, wie ihm das Mädchen sagte. Mallory glaubte ihr alles, besonders als ein riesiges Flugzeug beängstigend leise über dem Haus erschien und beinahe lautlos landete.
Auf seiner Stirn stand der Schweiß in dicken Tropfen, aber seine Hände waren trotzdem eiskalt. Er wollte, er mußte weiterreden – um sich selbst zu beweisen, daß er überhaupt noch existierte. Das Mädchen neben ihm sah ihn neugierig und mitleidig an.
„Das ist doch alles Unsinn!“ rief er aus. „Das kann doch nicht wahr sein! Es muß eine Art Fata Morgana sein. Ich … ich …“
„Es ist wahr“, stellte sie fest. „Ich gebe allerdings zu, daß es für Sie wie Unsinn erscheinen muß. Es liegt außerhalb der Dinge, die Sie sich vorstellen können – genauso wie Ihre Welt außerhalb meines Vorstellungsvermögens liegt.“
„Hören Sie“, sagte Mallory grob, „wie, zum Teufel, kommen Sie eigentlich in diesen Alptraum hinein?“
Das Mädchen sah
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